Dreyzehente Begebenheit.

Listiger Betrug eines geitzigen und schäbigen Kaufmanns wird mit List bezahlt, und abgestraft.

[511] Zu Mantua, einer Stadt in Welschland, langte an ein Kauffmann, reich zwar an Geld, aber gantz entblößt an Tugend; als welcher Redlichkeit und Treu schon längst verhandlet hatte. Dieser unter dem hin und her lauffen verlohre einen Sack mit Geld von 400. Reichs-Thaleren; nachdem er über ein Weil des Verlusts gewahr wurde, durchsuchte er ängstig alle Weeg und Steeg über welche er gangen; allein umsonst und vergebens. Weilen er nun der Sach anderst nicht zu helffen wußte, verfügte er sich zu dem dermahligen Marggrafen Gonzaga gantz betrübt, klagte ihm den Verlust, und würckte ein offentliche Schrift aus, Kraft deren dem Erfinder Befehl ertheilt wurde das gefundene Geld nach Hof zu liefern; zum Danck solle er 40. Reichs-Thaler haben. Das Gluck wolte einem armen frommen Weib, welches gegen dem Abend auf dem Weeg begriffen ware nach einer Capell zu U.L. Frauen, alldort ihr Gebett zu verrichten, und unter anderem eyferig zu bitten um ein Aussteur für ihre noch eintzige liebe Tochter, welche sie gern ehrlich ausheurathen wolte, und aber nicht vermöchte. Im zuruck kehren stoßt sie mit dem Fuß an etwas; vermerckt, daß es ein Sack voll Geld wäre; hebt ihn auf, schiebt in ein: und gehet darmit nacher Haus. Wie sie aber den Befehl des Marggrafen vernommen, und mit fremden Geld ihr Gewissen nicht gern beschweren wolte, brachte sie den Sack samt dem Geld unversehrt nach Hof. Der Marggraf nicht wenig ab der Redlichkeit dieses Weibs erbauet, bevorab, als er vernommen ihre grosse Noth zu Haus, schickt nach dem Kaufmann, und nachdem sich dieser ungesaumt eingefunden, stellte er ihm sein Geld wiederum zu. Der Kaufmann erfreute sich zwar höchlich des so bald gefundenen Sacks halber; weil es ihm aber ander seits aus angebohrnem Geitz schwer fiele, die versprochene 40. Reichs-Thaler davon herzuschiessen, gedachte er auf einen List: zehlte also sein Geld in Gegenwart des Marggrafen, kratzte im Kopf, und klagte, wie daß 34. Thaler mangleten, welche ihme das Weib müßte davon gezwackt haben. Der armen Tröpfin thate die Unbild wehe, daß sie für ihre Redlichkeit [511] keinen anderen Danck solte haben: rufte Himmel und Erden zu Zeugen ihrer Unschuld an. Wie (sprache sie) du ehrvergessener Mann? haltest du mich für eine solche? wann ich das hätte wollen thun, hätte ich ja eben so leicht den gantzen Sack behalten können? auf solche Weis hätte ich ja weder GOtt, noch dem Teufel gedient? dann GOtt will daß man alles, der Teufel aber daß man nichts solle heimstellen. Die gantze Red beschlosse sie mit einem Bach der Zäher: welche der Weiber beste Vorsprecher seynd.


Der Marggraf merckte den Betrug des Kaufmanns wohl: und ob er schon eine scharffe Straf verdient hätte, wolte er doch für dismahl List mit List bezahlen. Gabe demnach den Ausspruch. Weilen der Kaufmann in der offentlichen Schrift nur 400. Reichs-Thaler angegeben hätte, die da vorhanden wären, seinem Vorgeben nach aber 34. hätten sollen drüber zugegen seyn, so müsse der gefundene Sack einem anderen zugehören, und entzwischen der Erfinderin bleiben, bis der rechtmäßige Herr an Tag käme: er aber solle sich alsbald trollen, wolte er nicht Eisen und Band, und was noch ärgers erfahren; und hinführan lernen, besser sein Versprechen halten, und eines Fürsten Ansehen mit falschem Angeben nicht also spöttlich ansetzen.

Und also ward dieser Handel ausgemacht; dem armen Weib reichliche Vorsehung gethan, und der schäbige Geitz abgestraft. Bonciarius in Antologia illustrium exemplorum Decade 2. Exemplo 2.


Wie vorsichtig ist doch GOtt für die Arme, wann sie fromm seynd! er hätte freylich diesem armen, und zugleich frommen Weib auf eine andere Weis helffen können; aber es hat ihm erst erzählte beliebt, zu zeigen, daß nichts auf dieser Welt sich zutrage, welches er nicht zu einem gewissen Zihl und End zu leiten wisse, dem Frommen zu Gutem; dem Bösem zur Straf. Was für eine Boßheit ware es, aus verfluchtem Geitz, nicht allein sein Versprechen nicht halten; sondern eine arme und fromme Tröpfin noch zu einer Diebin machen wollen? aber da ist die Bosheit des Kaufmanns gestraft; hingegen die Redlichkeit des frommen Weibs belohnt worden, nicht blinder Dingen, und ungefehr, sondern aus allerweisister Anordnung göttlicher Vorsichtigkeit.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 511-512.
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