Ein und zwantzigste Begebenheit.

Einen Königlichen Printzen macht die Forcht und Schröcken in einer eintzigen Nacht Schnee-weiß.

[561] Ratislaus ein Königlicher Printz in Pohlen hatte sich weit verlohren, daß er seinen Herrn Vatter, Lessus mit Namen, vom Thron zu stürtzen suchte. Allein dieses Unternehmen schluge ihme übel aus, indem sein Herr Vatter auf eine Zeit Befehl gabe, den Sohn, wann er wohl bezecht wäre, bey nächtlicher Weil aus der Königlichen Residentz in eine weit davon entlegene Steinkruft, die sich unter der Erden ein Meil Weegs in die Länge erstreckte, zu tragen. Zu diesem End waren 4. Kerls bestellt, welche sich vermummen, und wie Teufel ankleiden mußten. Als nun diese dem Befehl nachkommen, und der Printz nach vergangener Trunckenheit in der Kruft liegend aus dem Schlaf erwachet, und aber nicht wußte, wo er wäre, kame ihne ein entsetzliche Forcht und Schröcken an. Er dappete demnach an denen Wänden der Kruft herum, und suchte hinaus zukommen, könte aber nirgends einen Ausgang finden. Mithin wurde die Forcht und Schröcken unbeschreiblich vermehrt, als ihm gedachte 4. Kerls, wie Teufel angekleidet mit brinnenden Facklen, und auf denen Schulteren ein Todten-Bahr tragende entgegen kamen. Es bemühete sich zwar der arme Printz ihnen zu entrinnen, allein umsonst; dann sie setzten ihme die Todten-Bahr in den Weeg, und machten gähling ein Feuer auf, um welches sie sich herum stellten, und allerhand erschröckliche Figuren und Gebärden machten; welches dann den erschrockenen, und halb todten Printzen glauben gemacht, als sehe er vor sich das höllische Feuer, und seye er lebendig in die Höll getragen worden: Und also mußte er in dieser förchtlichen Kruft noch bis auf die nächste Nacht verbleiben. Nachdem er aber gantz abgemattet ein wenig eingeschlaffen, trugen ihn [561] mehrgedachte Kerls, da er noch im Schlaf begriffen, wiederum zur Stein-Kruft hinaus, setzten ihn bey finsterer Nacht auf einen Kutschen-Wagen, und führen ihn, wie er noch mit kaltem Schweiß übergossen, als halb todt in die Königliche Residentz wiederum zuruck. Weilen aber dieses alles in der Finstere geschehen, könte der Printz noch nicht wissen, an was für einem Ort der Welt er sich finde, und aufhalte. Sobald es nun Tag worden, kamen die Königliche Bediente in das Schlaf-Zimmer, legten den Printzen an, und bedienten ihn nach Gewohnheit. Aber siehe Wunder! der Printz, so nicht über 22. Jahr alt ware, sahe auf dem Haupt Schnee-weiß aus, und einem alten Mann allerdings gleich. Kurtz zu sagen, er hatte sich dergestallten verändert, daß sein Herr Vatter der König, als er seiner ansichtig worden, sich erstlich des Weinens nicht enthalten können; hernach aber ihme um den Hals fallend diese Wort gesprochen: Mein Sohn! ich vermeinte aus einem rebellischen einen gehorsamen, und treuen Sohn zu machen, allein, wie ich sehe, so hab ich zugleich aus einem Jüngling einen Schnee-weissen Alten gemacht. Engelgrave S.J. Pantaleon in festo Assumptæ Virginis Mariæ §. 4.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 561-562.
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