Zwey und zwantzigste Begebenheit.

Ein Sohn hatte seinen Herrn Vatter so weit beredet, daß er mit ihm GOtt dem HErrn in einem Closter bis ans End des Lebens gedienet hat.

[562] Es ware ein Edler und reicher Herr, der hatte einen Sohn, den er durch das Kriegs-Weesen und Ritterliche Thaten zu hohen Ehren zu bringen bedacht ware. Als nun der wackere Jüngling aufs beste ausstaffiert schon auf der Kreis nach dem Feld-Lager begriffen ware, und aber unter Weegs ein Einkehr in dem von Bernardi Namen und Heiligkeit berühmten Closter Claravalle genommen, traffe er allda gantz andere Soldaten an, nemlich Geistliche, welche zu dem Kriegs-Fähnlein des grossen GOttes geschworen mit den Waffen des Geists die Höll und Welt bestritten. Von solchem Exempel bewegt änderte der Jüngling durch GOttes Eingebung sein Vorhaben; begehrte von dem Prälaten des Closters aufgenommen zu werden, und hat es auch erhalten.


Wie solches dem Vatter zu Ohren kommen, zörnte er sehr heftig; deutete es zum Schimpf seines Geschlechts aus; eilete Sporrenstreich dem Closter zu, fienge an vor der Porten zu poldern, und zu drohen, Gewalt zu gebrauchen, und das Closter anzuzünden, wofern man ihm nicht alsobald seinen Sohn wurde heraus geben. Der [562] Prälat, so ein gescheider Herr ware, den wilden Menschen in etwas zu besänftigen, kommt herfür, giebt ihm gute Wort, und ladet ihn zu Gast mit Erbietung aller Freundlichkeit. Weilen aber nichts verfangen wollte, sagte er: In allweg mein Herr! sollt ihr euern Sohn alsobald wiederum haben, wann ihr nur einen bösen Brauch, der in euerm Gebiet im Schwung gehet, und dem Sohn allein einen Eckel ab der Welt Eitelkeit verursachet, abschaffen wollet. Freylich ja sagte der Edelmann, ich gehe die Bedingnuß ein: Darauf hin kommt auch der Sohn herfür, und haltet dem Herrn Vatter gleichfalls obgedachte Bedingnuß vor, sagend: Herr Vatter! der Mißbrauch, so mir in euerm Gebiet mißfallet, ist dieser, daß allda die Junge sowohl als die Alte sterben müssen. Wann ihr nun diesen Mißbrauch wollet abschaffen, will ich stracks mit euch nacher Haus kehren, wo nicht, so bleibe ich bey meinem gefaßten Schluß, und an demjenigen Ort, wo ich jung zu sterben kein Sorg, und alt zu sterben ein Verlangen möge haben. Mit diesen Worten hat der Sohn den Vatter also bewegt, daß er gleichfalls seinen Kriegs-Stand geändert, in eben gedachtes Closter eingetretten, und neben dem Sohn um den ewigen Sold, Lohn und Cron ritterlich gekämpft hat. Vincent. Bellovacens. to. 3. Specul. Moral. fol. 693.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 562-563.
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