Drey und zwantzigste Begebenheit.

Ein adeliche Frau wird in ihrem Anliegen von dem H. Antonio von Padua auf eine gantz verwunderliche Weis getröstet.

[563] Zu Oviedo einer Stadt in Spanien befande sich im Jahr Christi 1729. eine adeliche Frau, Namens Francisca von Aravio, dero Ehegemahl Antonius Danta vor langer Zeit mit einer Schifs-Flotten in Indien (eines der grösten Länderen in dem Welt-Theil Asien) abgeseglet ware. Weil nun seine Frau nach vielfältigem Schreiben keine Antwort von ihm erhalten könte, nahme sie ihre Zuflucht zu dem Heil. Antonius, dessen wunderthätige Bildnuß zu Oviedo in der Franciscaner-Kirch in grossen Ehren gehalten wird, und mit vollkommenem Vertrauen steckte sie diesem Heiligen einen Brief an ihren Herrn in den Ermel, ihne mit vielen Zäheren bittende, er wollte doch bey GOtt durch seine grosse Fürbitt auswürcken, daß solcher Brief ihrem Herrn überbracht, und von ihme wiederum eine Antwort möchte zuruck geschickt werden.


Eines Tags des Morgens fruhe nahme der Sacristan des Closters wahr, daß die Bildnuß des H. Antonii einen Brief in der Hand hätte, welchen er aber nach aller angewendter [563] Mühe nicht könte hinweg nehmen. Unterdessen kame obgedachte gottselige Frau selbigen Morgen ihrer Gewohnheit nach auch wiederum für diese Bildnuß: Und als sie glaubte gantz allein in der Kirchen zu seyn, mithin darfür hielte, der Brief, welchen der Heilige in der Hand hielte, wäre eben derjenige, den sie ihm den vorigen Tag in den Ermel gesteckt hatte, sprache sie mit weinenden Augen, und erhebter Stimm: O mein auserwählter Patron, Heil. Antoni! warum behaltest du doch meinen Brief, den ich dir an meinen Ehegemahl mit so vielen Zäheren übergeben, und anbefohlen hab, so lange Zeit bey dir? woher kommt es doch, daß du mein inständiges Bitten nicht erhörest, noch mich in meiner so grossen Betrübnuß tröstest? Der Sacristan, als er diese klägliche Wort gehört, gienge hinzu, und fragte die Frau um die Ursach ihrer so grossen Traurigkeit. Und da er solche vernommen, ermahnte er sie den Brief, welchen er dem Heiligen nicht vermöchte aus der Hand zu bringen, wiederum zu sich zu nehmen. So bald nun die Frau gegen dem Altar hinauf gestiegen, liesse der Heilige den Brief von sich selbsten aus der Hand, und zugleich aus seinem Ermel 300. Stuck Indianischen Golds fallen, welche ungefähr 228. Florentinische Scudi, oder Thaler ausmachen. Der Sacristan hierüber erstaunend, berufte alsobald alle Patres des Closters zusammen, in dero Gegenwart die Frau den Brief eröfnet, und darinnen ersehen eine Antwort von ihrem Ehe-Herrn folgenden Innhalts:

Meine allerliebste Gemahlin! ich befinde mich schon lange Zeit in Kummer und Sorgen, dieweil ich in währender Zeit, da ich in Indien bin, nichts von euch hab vernehmen, noch hören können. Nun aber lebe ich wiederum gantz getröst auf euer Schreiben, welches ich von einem Franciscaner mit gröster Freud empfangen hab. Ihr beklagt euch darinnen, daß ich euch niemahl eine Antwort gegeben auf euere Brief, in welchen ihr euere treue Lieb mir erzeigt habt. Ich versichere euch aber in der Wahrheit, daß ich niemahl einigen Brief gesehen, noch empfangen habe, als den mir gedachter Franciscaner überbracht hat, durch welchen ich auch diese Antwort mit 300. Stuck Gelds überschicke um euch dessen bedienen zu können bis zu meiner Wiederkunft, welche hoffentlich bald erfolgen wird, wie ich wünsche, und meinen Patron den Heil. Antonium ohne Unterlaß darum bitte. Ich erwarte mit Schmertzen wiederum eine Antwort hierüber, den lieben GOtt bittend, daß er euch bewahre. Ich verbleibe Euer getreuster Ehegemahl.

Antonius Danta.


Liman in Peru den 23. Julii 1729.


Ex Relatione ubique locorum dispersa, à tribus Episcopis ritè examinata, & pro vera agnita.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 563-564.
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