Ein und dreyssigste Begebenheit.

Ein reicher, mithin aber gewissenhafter Kaufmann läßt vor seinem End für sich ein Seel-Amt halten, und stirbt gleich darauf seeliglich.

[576] Zur Zeit, als der H. Franciscus Xaverius in Indien denen Unglaubigen den Christlichen Glauben verkündigte, und viel 1000. derselbigen bekehrte, hielte sich in der Jnsul Sanciano, so gegen China ligt, auf ein gewisser Kaufmann, mit Namen Petrus Vellius, welcher allda grosse Handelschaft triebe. Gleichwie nun dieser sehr reich, also ware er auch gegen den Armen und Bedürftigen ganz mitleydig, und theilte unter sie reichliches Allmosen aus. Sonsten, weil er von Natur holdseelig und freundlich ware, machte er sich bey allen, mit denen er umgienge, sehr beliebt. Und ob er schon jederzeit lustigen Humors ware so sahe man doch an ihm keine Ausgelassenheit, also daß so gar gedachter H. Xaverius, den man den Indianer Apostel nennet, ihne seiner Freundschaft würdigte. Weßwegen auch Petrus dem H. Mann sehr zugethan ware; also, daß Xaverius von Petro alles erhalten könnte, was er nur immer verlangte. Nun truge es sich auf ein Zeit zu, daß ein armes Mägdlein, deme seine Eltern frühzeitig gestorben, wegen Schönheit der Gestalt in grosser Gefahr stunde, zu einem liederlichen Leben verführt zu werden. Als Xaverius hiervon benachrichtiget worden, gienge er zu Petro, da er sich eben in dem Haus eines seiner guten Freunden befande, mit dem er in dem Schach spielte. Xaverius redet ihn an, und sagt, Herr Petre! nehmet mir nicht übel [576] auf, daß ich euch zu dieser Zeit überlauffe: es machts die Christliche Liebe, die mich hierzu dringet. Dann sehet! ihr könnet ein grosses und bey GOtt sehr verdienstliches Werck thun, wann ihr zur Aussteurung eines armen Mägdleins ein Summa Gelds darreichen möchtet. Petrus, der, wie schon oben gedacht, von Natur eines lustigen Humors ware, als er Xaverii Anbringen gehört, stellte sich zornig zu seyn, sagte also: Pater ihr kommt mir jetzt gar nicht recht, dann die, so im Spielen verliehren, geben nicht gern etwas aus, die Zeit ist also zum Begehren gar nicht bequem. Freylich ist sie bequem, antwortete Xaverius, dieweil die Spieler zu solcher Zeit gewöhnlich viel Geld vor sich liegen haben. Hierüber stellte sich Petrus noch erzörnter zu seyn, sagte also: Da habt ihr dann die Schlüssel zu meinem Geld-Kasten, und wann ihr meinet, so nehmet grad alles Geld hinweg, wann ich nur Ruhe vor euch habe. Nun waren im Geld-Kasten beysammen ungefehr bey fünf und viertzig tausend Ducaten, von diesen nahme Xaverius nicht mehr als 300. heraus, dieweil er glaubte, diese Summa wurde genugsam seyn, ein armes Mägdlein darmit auszusteuren, und mithin selbiges aus der Gefahr, um ihr Ehr zu kommen, zu erretten. Als dieses geschehen, und Petrus bald darauf den Geld-Kasten visitirt, um zu sehen, wie viel daraus wäre genommen worden, er aber gefunden, daß die Summa im geringsten nicht vermindert worden, beklagte er sich auf eine freundliche Manier gegen Xaverio. Als aber dieser hoch betheuret, daß er drey hundert Ducaten aus dem Kasten genommen hätte, sagte Petrus: Ey! daß euch es GOtt verzeihe; mein Wunsch ware, daß wir die Summa mit einander theilen, und ihr darvon die Helfte nehmen soltet. Als Xaverius vermerckt, daß es Petro Ernst wäre, sagte er: Herr Petre! GOtt, der die Hertzen der Menschen ergründet, nimmt diesen euern guten Willen für ein grosses Werck der Liebe an, und seyd versichert, daß er es euch zu seiner Zeit reichlich werde vergelten. Ich verspriche euch also an GOttes statt, daß es euch an Kommlichkeit des Lebens niemahl manglen werde. Und wann ihr schon bisweilen wegen Unbeständigkeit des Meers werdet Schaden leiden, so werden euch doch euere Freund allzeit mit einem Stuck Gelds wiederum zu Hilf kommen. Zu dem solle euch der Tag eueres Hinscheidens aus dieser Welt für gewiß angezeigt werden. Auf solche Zusag wurde Petrus in einen gantz andern Menschen verändert, indem er nunmehr seine Gedancken allein auf das Heyl seiner Seelen wendete, und unter der Kleidung eines Kaufmanns, wie ein frommer Ordens-Mann lebte. Und dieweil er stäts an das End seines Lebens gedachte, und mithin zu wissen verlangte, wann dann selbiges herbey rucken werde, nahme er das Hertz, und begehrte, von Xaverio ein vorher gehendes Zeichen: da sagte Xaverius zu ihme: Mercket Herr Petre, wann euch das Wein trincken einmahl [577] wird bitter vorkommen, so gedencket nur, es seye noch ein eintziger Tag von euerem Leben übrig. Unterdessen lebte Petrus in erwünschtem Wohlstand bis zu einem hohen Alter, da es ihme mithin an Gelds-Mitteln niemahl manglete; und wann er schon bisweilen wegen Unbeständigkeit des Meers, wie oben gemeldet worden, seiner Waaren halben grosse Gefahr erlitten, so seynd ihm doch allzeit seine Freund wiederum beygesprungen. Nun wie gienge es weiters? Auf eine Zeit geschahe es, daß Petrus von einem seiner guten Freunden zu einem Mittagmahl eingeladen worden, und da man ihm ein Glas köstlichen Weins zugebracht, kame ihm selbiger nicht anderst vor, als wann er lauter bittere Gall wäre. Da gedachte er dann an Xaverii Weissagung, über welche ihme ein Schauder durch den gantzen Leib gienge, wie es halt zu geschehen pflegt, wann man einem gantz unverhofter Dingen den Tod ankündet. Doch erholte er sich wiederum, und gabe das Glas einem andern aus denen Gästen, fragend, wie ihm dieser Wein schmecke. Dieser antwortete, wie daß er ihm nicht besser geschmecken könnte. Allein Petrus wolte sich an diese Antwort nicht kehren: begehrte also, man solle ihm nicht allein ein anders Glas, sondern auch einen andern Wein bringen; vielleicht seye mit dem ersten ein Betrug mit unterloffen. Nun das geschiehet; allein ein jeder Wein kame ihm Gallen-bitter vor: da zweiflete er dann nimmer mehr an Xaverii Weissagung, stunde also von der Tafel auf, und nachdem er sich gegen dem Gastgeb wegen des köstlichen Tractaments gar höflich bedanckt, bathe er um Erlaubnuß nacher Haus zu kehren, unter dem Vorwand, es seye Zeit, daß er sich zum Tod bereite. Alle anwesende Gäst und gute Freund, so dieses gehört, wolten ihm diese traurige Gedancken ausreden, vorwendende, es seye nichts anders, als ein leere Einbildung, solle sie also aus dem Sinn schlagen, sonst möchte er gar vom Verstand kommen. Allein Petrus beharrete auf seinen Gedancken, und beurlaubte sich von allen, als welche er das letzte mahl gesehen hätte. Theilte darauf hin sein Geld und Gut theils unter seine Kinder, theils unter die Arme, und machte Anstalt, daß man für ihn in der Kirch ein Seel-Amt halten solte, zu welchem er alle Freund eingeladen, welche dann auch häufig darbey sich eingefunden, um zu sehen, was dann die Weissagung Xaverii für einen Ausgang nehmen werde. Da liesse dann Petrus, nach abgelegter Beicht, sich mit allen H.H. Sacramenten der Sterbenden versehen; und nachdem er sich in die zubereitete Toden-Bahr hinein gelegt, befahle er dem Seel-Amt den Anfang zu machen. Als dieses vollendet, und der Priester vor der Toden-Bahr die Seel-Vesper vollendet hatte, gienge ein Diener hin, und wolte seinen Herrn aus der Toden-Bahr wieder heraus lupfen; allein da fande er, daß sein Herr wahrhaftig gestorben wäre. Uber welche Begebenheit alle Anwesende [578] theils die Barmhertzigkeit GOttes lobten, theils über Xaverii Weissagung sich verwunderten. Bauhover S.J. in vita S. Franc. Xaverii l. 6.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 576-579.
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