Vier und dreyßigste Begebenheit.

Der Teufel kan nicht hinaus, wo der Ausgang mit dem Heil. Creutz bezeichnet ist.

[580] In einem gewissen Closter wurde auf eine Zeit zusamen beruffen eine Anzahl der Ordens-Geistlichen, welche unter einander gewisse Puncten, die Clösterliche Zucht belangend, abhandlen solten; und da solte sich auch einfinden der Heil. Abbt Leufridus, als ein Vorsteher der geistlichen Versammlung. Allein er ware zu selbiger Stund mit, weis nicht, was für einer Verrichtung beschäftiget, und konte sich deswegen so gleich in dem Capitel-Haus (wie es in denen Clöstern pflegt genennt zu werden) nicht einfinden. Dieser Gelegenheit bediente sich der Teufel, nahme die Gestalt des H. Abbtens an sich, und setzte sich in dessen Sessel mitten im Capitel-Haus nieder. Als nun die Ordensbrüder nacheinander hinein tratten, und ihren Heil. Abbten, wie sie vermeinten, an seinem Ort sitzen sahen, neigten sie sich gantz ehrerbietig gegen ihm, und verfügte sich darauf ein jeder an sein bestimmtes Ort, worüber dann der stoltze Höll-Geist ein sondere Freud hatte (wann doch dieses ein Freud kan genennt werden) dieweilen ihme von eben diesen Ordens-Brüderen, die ihn bishero gar so oft verachtet, und beschimpft hatten, dermahlen so viel Ehr angethan wurde. Endlichen kommet einer frisch von dem Abbt Leufrido daher, und weilen er nicht fassen kan, wie ein anderer, der seinem Heil. Vorsteher der Gestalt nach so gleich sahe, müsse daher kommen seyn, gehet er graden Weegs wiederum zuruck, und zeiget dem Abbten an, was er gesehen hatte. Dieser macht sich so gleich auf, zeichnet alle Eingäng und Fenster des Capitel-Hauses mit dem H. Creutz, ergreift alsdann eine Geisel, und gehet darmit schnurgrad auf den Teufel zu, fangt auch gleich an auf diesen nach aller Schärffe zu zuschlagen. Der Teufel aber will nicht lang verziehen, sondern bemühet sich nach einem und anderen empfangenen Streich mit der Flucht davon zu kommen. Er schiesset von einer Thür zur anderen, und Leufridus ist immerzu mit der Geisel hinter ihme. Jetzt rennet er gegen einem anderen Fenster; kan aber, weil alles mit dem H. Creutz versiglet ist, nicht hinausfahren. Schand und Schläg werden ihm dermassen häuffig aufgeladen, daß, wann er nicht der alles Hasses werthester Teufel gewesen wäre, sich die Ordens-Brüder seiner hertzlich hätten erbarmen müssen. Endlich hat er doch seinen Vortheil noch ersehen, und ist durch das Loch des Gewölbs, dardurch der Strick zum läuten herabhienge, entkommen, weilen selbiges [581] der Heil. Abbt mit dem Creutz nicht bezeichnet hatte; den Strick aber selbsten hat er hinter sich verbrennt, damit, wie der Geschicht-Schreiber hinzusetzt, der Heil. Leufridus, der ihme stets auf dem Rucken ware, sich dieses Stricks zum aufklättern, und nacheilen nicht bedienen könte. In vitis Patrum Occidentis l. 4.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 580-582.
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