Fünftzigste Begebenheit.

Lächerlicher Poß, so ein Spitzbub einem blinden Bettler gerissen.

[598] Dieser Bettler (so ein Spanier war) hatte in Dienst angenommen einen Armen; aber zugleich losen Stricks-Buben, (Lazarillus mit Namen) der ihn über Gassen an einem Stecken führen solte. Es wäre viel zu erzählen, was für allerhand Ränck und kleine Schelmen-Stücklein dieser Lecker angefangen; weswegen er dann auch manchen harten Rupf, und trockene Stöß von seinem Herrn davon getragen. Wie ihms aber der Blinde dahin wolte zu braun machen, entschlosse er sich, hinter der Thür Urlaub zu nehmen: dann die Besoldung ware ohne das nicht gar groß; doch auch zur guten Letze dem blinden Mauß-Kopf einen Possen zu reissen, und sich also an ihm zu rächen. Sie giengen eines Tags durch die Stadt, und kamen zu einem Bächlein, das durch die Gassen ranne. Gleich gegen über stunde ein Saul: da sprach der Lazarillus zu dem Blinden: Vatter! da seynd wir bey einem kleinen Bächlein. Du wirst springen müssen; hebe die Füß fein wohl auf: ich will vorhinüber gehen, und dich auffangen. Stelte alsdann den Blinden gerad gegen der Saulen über; und rufte ihm zu: Vatter! jetzt spring, so starck du kanst. Der einfältige Mann folgte dem Schelmen, sprange nach allen Kräften; stoßte aber zugleich an gedachter Saulen mit dem Kopf dermassen starck an, daß er herwieder geprellet, in das Wasser gefallen, und Wasch-naß worden; dessen ihm dann Lazarillus die Haut voll lachte, und davon kaufte. Rauscher S.J. in Dominicali 2. Conc. Quinquages.

Ein solcher loser Gesell ist der Teufel, der manchen Blinden in Glaubens-Sachen oft lang bey der Nasen herum führt, aber ihme nie keinen grösseren Possen reißt, als zuletzt im Todt-Beth. Gewiiß ist es aus bewehrten Geschichten, daß der böse Geist dem Menschen mit Anfechtungen nie stärcker zusetze, als im Sterb-Stündlein. Da hat er dann gut gewinnen, wann er einen in Glaubens-Sachen niemahls recht unterwiesenen antrift. Er wird ihm bald mit disputiren an einen Stock führen, daß er den Kopf übel verstosse, und nicht in einen Bach, sonderen in den höllischen-reissenden Fluß hinunter plumpfe.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 598.
Lizenz:
Kategorien: