Ein und fünftzigste Begebenheit.

Eines Soldaten lächerliche Red nach erfundenen todten Leichnam seines Cameradens.

[598] Dieser fande auf eine Zeit unter den erschlagenen auch seinen liebsten Spieß-Gesellen: den zoge er dann mit grosser Leyd-Bezeugung aus dem Hauffen heraus; setzte ihn auf einem Stuhl um zu sehen, ob er noch ein Zeichen des Lebens an ihm finden möchte. Er hube ihm den Kopf in die Höhe; aber der Todte liesse ihn gleich wiederum sincken. Er schauete ihm in die Augen; fande sie aber gantz trüb, und gebrochen. Er schrye ihm in die Ohren; aber der wolte nicht antworten. Er griffe ihm an die Brust; und diese war Eißkalt. Er richtete ihm bald den lincken, bald den rechten Arm auf; aber der Todte liesse einen, wie den andern fallen. Er schittelte ihn, rutschte mit ihm auf dem Stuhl hin und her; hebte ihn auf; lupfte ihn auf die andere Seiten; setzte ihn wiederum nieder. Alles umsonst, und vergebens. Letztlich wendete er sich zu den Umstehenden, und sprach: Man siehet wohl, daß ihm etwas fehle. Prænominatus Rauscher cit. Dominicali in Festo Pentec.


Freylich wohl fehlte ihm etwas, hasts errathen; und zwar das vornehmste fehlte ihm: kein Seel war mehr da. Also gehet es mit unserem sittlichen Leben auch. Gleichwie der Leib stracks zu Boden fallt, so bald die Seel entweicht; also muß nothwendig die Seel alle Kraft verliehren, und gleichsam sterben, so bald der heilige Geist entwichen ist. So lang der heilige Geist vorhanden, und führet uns durch sein Gnad, leitet, anweiset, mitwürckt; da lebt alles, und gehet alles recht her. So bald dieser von uns weichet, und seinen gnadenreichen Einfluß entziehet, da ist alles lahm, alles tod; lauter Irrthum, lauter Finsternuß, Sünd, Laster, Greuel, und ein erbärmlicher Fall über den anderen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 598-599.
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