Siebenzehendes Exempel.

Ein Student williget im Todbeth in eine unreine Belustigung; stirbt darauf, und wird verdammt.

[75] In einer gewissen Stadt war ein Student, so zwar dem Studieren nicht unfleißig obgelegen; mithin aber dem schandlichen Laster der Unreinigkeit so ergeben geweßt, daß er endlich eine Gewohnheit daraus gemacht. Er beichtete zwar öfters, allein (wie es eben mit diesem Laster insgemein zu gehen pflegt) es folgte darum keine Besserung darauf. Es sprachen ihm derowegen zu die Beichtvätter; sie schrieben ihm für allerhand dienliche Mittel; vornehmlich aber stelleten sie ihm für die grosse Gefahr, in den Sünden zu sterben, und mithin ewig zu verderben. Allein die böse Gewohnheit hatte schon so tief eingewurtzelt, daß dieses alles nichts verfangen wollte. So schluge dann endlich GOtt die Hand darein, indem er den Studenten mit schwehrer Kranckheit heimgesucht, und ins Beth geworffen. Es hatte auch die Kranckheit in kurtzem also zugenommen, daß die Aertzten an dem Aufkommen des Kranckens alle Hofnung verlohren. Wie nun der Krancke gesehen, daß es müsse gestorben seyn, hat er einen Beichtvatter begehrt, deme er seine Sünden mit grosser Reu gebeichtet, und darauf absolviert worden; also daß der Beichtvatter getröst Abschied von ihm genommen, nicht zweiflend, das Beicht-Kind werde in der nunmehro erlangten Gnad GOttes beständig verharren, und also eines seeligen Tods sterben. Aber wie gehts? die nächste Nacht darauf stirbt das Beicht-Kind. Wie nun den andern Tag dem Beichtvatter dieser Tod angezeigt worden, saumte er sich nicht, für das Beicht-Kind Meß zu lesen. Aber sihe! wie er allbereit über Altar gangen, und die Meß anfangen wollte, da rupfte ihn jemand. Er kehrte sich aber nichts daran; weil er glaubte, es wäre nur ein leere Einbildung; und fuhre also fort. Als er aber das anderemahl gerupft wurde, verwunderte er sich, und wußte nicht, was er gedencken sollte; doch fuhre er fort, in Hofnung, es werde etwann aufhören. Allein wie er auch das drittemahl gerupft worden, und zwar gantz ungestümm, da ward ihm angst, und er gedachte, was doch dieses Rupfen bedeuten müsse. Indem er nun in diesen ängstigen Gedancken steckt, sihe! da erblickt er auf der lincken Seiten des Altars in einem Winckel einen [75] schwartzen neblichten Dampf, aus welchem sich diese Stimm vernehmen liesse: höre auf, O Priester! höre auf mich Meß zu lesen, dann es hilft mir doch nichts. Der Priester erschrack über diese Wort; bezeichnete sich mit dem Heil. Creutz, und fragte: wer bist du dann? Da bekame er zur Antwort: ich bin der Geist des verstorbenen Stu denten, dessen letzte Beicht du gestern angehört. Behüt GOtt! sagte der Priester: so solle dann dir das Meß-Lesen nichts helffen? Nein, antwortete der Geist: dann ich bin ewig verdammt. Wie? fragte der Priester: ewig verdammt? hast du dann nicht redlich gebeichtet, oder hat es an einer wahren Reu und Vorsatz dich zu bessern gemanglet? An diesem allem, antwortete der Geist: hat es nicht gemangelt. Es waren mir in Ansehung des heiligen Sacraments der Beicht alle Sünden verziehen. Aber, O des Unglücks! dann, da ich in die letzte Zügen greiffen wollte, geschahe es aus gerechtem Urthel GOttes, dessen Langmüthigkeit ich so oft mißbraucht, daß mir in die Gedäcthnus kame ein unreiner Wollust des Fleisches, den ich vor diesem gehabt. Weil ich nun ein neues Gefallen darüber geschöpft und eingewilliget; gleich aber darauf abgedrucket, bin ich wegen dieser neuen Todsünd auf ewig verdammt worden. Dieses geredt, ist der schwartze Dampf verschwunden. Bidermann Acroamatum. lib. 2. Acroam. 4.


O wie gefährlich ist es, wann man in dem Laster der Unreinigkeit eine Gewohnheit gemacht, und so oft ein Wohlgefallen darinn gehabt! Dann sollte der böse Feind solches Wohlgefallen einem Tod-Krancken wiederum zu Gemüth führen, wie leicht könnte aus gerechtem Urthel GOttes (dessen Langmüthigkeit man so oft mißbrauchet, und seine Güte verachtet hat) geschehen, daß man sich mit Einwilligung auf ein neues versündigte! dann was einem so oft gefallen hat, das gefallt ihm leicht wiederum. Wenigst wird der böse Feind, wann es mit dem Menschen auf die letzte geht, nicht feyren. Er wird den List, der ihm so oft angangen,wiederum probieren. Sollte ihm nun solcher angehen (wie dann wegen eingewurtzelter Gewohnheit, die man mit Einwilligung in unreine Gedancken gemacht, billich zu besorgen) so wäre es ja mit einem solchen Tod Krancken auf ewig geschehen? wahrhaftig: wann nichts wäre, als diese Gefahr, so sollte sie einen jeden von dem Laster der Unreinigkeit abschröcken.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 75-76.
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