Vier und zwantzigstes Exempel.

Eine treulose Braut wird an ihrem Hochzeit-Tag unter währendem Tantzen, von dem Teufel weggeführt.

[92] In Sachsen war eine Jungfrau von grossem Vermögen: die hatte einem gewissen Jüngling die Ehe versprochen. Weil aber dieser nicht viel zum besten hatte, sagte er zu ihr: Jungfrau! ich bin ihr wegen der Ehr, die sie mir anthut, indem sie mich vor andern für ihren Bräutigam erwählet, sehr verbunden; allein, ich sage ihr vorhinein, daß [92] mein Vermögen dem ihrigen bey weitem nicht gleichet. Sorge also, sie därfte mit der Zeit eines anderen Sinnes werden, und um einen anderen Bräutigam sehen, der ein grösseres Vermögen hätte, als ich. Es sagte aber die Jungfrau entgegen: das macht nichts. Ich nimme ihn nicht um seines Vermogens willen: sondern, weil er mir vor anderen gefallt. Und damit er kein Mißtrauen in mich setze, als solte es mich der getroffenen Wahl einstens gereuen, so sag ich ihm, daß, wann ich einen anderen, als ihn, heurathen solte, so wünsche ich, daß mich der böse Geist an dem Hochzeit-Tag hinweg führte. Was will er mehr? könnte ich eine kräftigere Versicherung der Treue von mir geben? der Jüngling bedanckte sich, daß sie ihn ihrer Treue halber so theur versichert hätte: versprache im Gegentheil, daß er ehender sterben, als an ihr untreu werden wolte. Mein GOtt! wer solte glauben, daß die Jungfrau hätte können untreu werden? und doch (O Leichtsinnigkeit) ist es geschehen: dann es stunde nicht lang an, so verliebte sie sich in einen andern, und machte mit ihm, unwissend des erstern, Hochzeit. Was geschiehet? da jedermann an dem Hochzeit-Tag lustig war, sasse die Braut allein traurig da. Man munterte sie auf; man sprache ihr zu: aber alles umsonst: Dann ihr böses Gewissen, wegen begangener Untreu, gestattete ihr keine Freud; und noch viel weniger der gethane ensetzliche Wunsch. Man wußte also nicht, was man gedencken solte. Unterdessen da die Hochzeit-Gäst mitten in der Mahlzeit, und am besten auf waren, auch die Musicanten sich treflich hören liessen, kommt einer von denen Aufwartern daher geloffen, und zeigt der Braut an, wie daß zwey Cavalier vor der Stuben draussen wären, die sich der Braut befehlen lassen, und um Erlaubnuß bitten, ob sie nicht auch der hochzeitlichen Freud beywohnen därfen? die Braut ob sie schon bishero traurig da gesessen, wurde wegen der Ehr, so diese Cavalier ihr anthun wolten,in etwas aufgemuntert. Sagte demnach zu dem Hochzeiter, er solle so gut seyn, und die Cavalier in die Stuben hinein führen. Nun der Hochzeiter thate es: bewillkommte die Cavalier; führte sie in die Stuben hinein, und setzte sie zu oberst an Tisch, zur Braut hin. Man sprache ihnen zu, sie solten ihnen Essen und Trincken belieben lassen. Allein sie bedanckten sich, sagend, wie daß sie erst von dem Mittag-Essen herkommen. Sie seyen vielmehr kommen, ihnen die Ehr auszubitten, daß sie mit der Braut därften ein und andern Tantz thun. Worauf die Braut sagte, wie daß sie es für ein sonderbare Ehr hielte, daß solche Herren mit ihr zu tantzen sich würdigten. Demnach wurde denen Musicanten befohlen, ein lustiges Stücklein aufzumachen. Wie sie nun angefangen, nahme einer aus diesen Cavalieren die Braut höflich bey der Hand; führete sie mitten in die Stuben, und thate mit ihr einen und anderen [93] Tantz. Wie die Braut aber im besten springen war, wurde sie urplötzlich von dem Cavalier in der Mitte ergriffen, und in Ansehung ihrer Eltern, Befreundten, und anderen Hochzeit-Gästen, nicht ohne Jammern und Wehklagen zur Stuben-Thür hinaus geführt. Wo sie hinkommen seye, hat man den anderen Tag darauf mit gröstem Schröcken innen worden; da nemlich die verstellte Cavalier (so nichts anders, dann böse Geister waren) sich wiederum sehen lassen, und die von der Braut hinter lassene Kleider zuruck gebracht, sagend, wie daß ihnen GOtt den Gewalt nur über die Braut; nicht aber über die Kleider gelassen hätte. Ist also dieses unglückselige Mensch wegen gebrochener Treu an ihrem ersten Bräutigam in die Höll geführt worden. Recenset Clava Herculis Christiani.


Wie wahr ist es, was man insgemein zu sagen pflegt: Untreu bleibt nicht ungerochen! spiegle dich derowegen an diesem Exempel, unbesonnene Jugend! und lasse dich nicht so leicht in ein eheliches Versprechen ein: dann vorgethan, und nach bedacht, hat schon viel ins Leid gebracht. Hast du es aber mit wohlbedachtem Gemüth gethan, so gedencke: Versprechen macht halten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 92-94.
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