Fünf und zwantzigstes Exempel.

Ein unkeuscher, liederlicher Sohn ersticht sich selbst aus Verzweiflung, mit einem Messer.

[94] Zu Lübeck, einer vornehmen Stadt, war ein Sohn, schön zwar von Gestalt, und reich am Vermögen; aber der Unzucht sehr ergeben. Er verliebte sich demnach in eine Person, so an Schönheit alle andere in der Stadt übertraffe. Ja er liesse sich von ihr dergestalten einnehmen, daß ihn weder die Forcht GOttes; noch die treuhertzige Ermahnungen seiner Befreundten davon abziehen konten. Dannenhero es geschehen, daß er in dem Luder-Leben all sein Geld hindurch gejagt und mithin in grosse Armuth gerathen. Als seine Mutter solches vernommen (dann der Vatter war schon gestorben) halfe sie ihm zwar aus Mitleiden mit einem Stuck Geld wiederum aus der Noth; bathe ihn aber mit weinenden Augen, er wolte sich doch der Gemeinschaft mit gedachter Person entschlagen, und seine Mutter mit so liederlichem Leben nicht länger betrüben. Aber alle gute Ermahnungen waren umsonst; dann er hatte sich schon zu weit in die Gemeischaft mit gedachter Person eingelassen. Wie nun die Mutter gesehen, daß er ihr nicht folgen wolte, schlosse sie auch ihre Händ zu, und liesse ihn in die vorige Armuth hinein rinnen. Das brachte nun den ungerathenen Sohn [94] in eine solche Furie, daß er wider die Mutter (O unerhörte Gottlosigkeit!) den Degen zuckte, und sie damit (unglückselige Feder! die du solche abentheurliche Ding beschreiben must) an der Stell zu entleiben drohete, wann sie ihm nicht ein Stuck Geld darschiessen wurde. Was wollte die betrübte Mutter thun? Aus Forcht und Schrecken gibt sie ihm eben das Gelt, und so viel als er begehrt: verbeißt unterdessen die greuliche Unbild, so ihr der Sohn angethan, aus Beysorg, wann sie sich darüber bey denen Befreundten beklagen thäte, möchte die Sach gar für die hohe Obrigkeit kommen; welche dann mit dem Sohn scharf verfahren wurde. Nichts destoweniger ist endlich die Sach, unwissend, durch wen, den Befreundten zu Ohren kommen, welche dann zusammen gestanden, und dem ungerathenen Sohn seine verübte Gottlosigkeit scharf verwiesen haben, mit Bedrohung, daß, wann er dergleichen ferners wider die Mutter unternehmen wurde, sie ihn insgesamt bey der Obrigkeit verklagen, und die Justitz wider ihn begehren wolten. Was geschiehet? wie unverschamt sonst dieser gottlose Gesell war, so schamte er sich doch wegen dieses Verweises. Raumte also das Haus, und gienge der Mutter aus denen Augen: verfügte sich aber wieder zu seinem Schleppsack, mit welchem er nach und nach alles Gelt im Luder verzehrt, und wiederum so arm worden, daß er weder aus noch an wußte. Dannenhero geriethe er in eine Verzweiflung, in welcher, als er sich einstens gantz allein befunden, nahme er ein langes, und scharf schneidendes Messer, steckte es mit dem Heft starck in eine Wand; risse alsdann den Rock auf, entblößte die Brust und lieffe mit solchem Gewalt auf das Messer zu, daß er ihm das Hertz-Blat durch und durch gestossen, und das Messer so gar den Ruck-Grad durchdrungen. Worauf er zur Erden gesuncken, und nachdem er sich verblutet, seinen unglückseeligen Geist aufgeben. Wie dieses kundbahr worden, ist die gantze Nachbarschaft zugeloffen, und hat über diesen leydigen Fall geseuftzet: vornehmlich die Mutter, als welche in Ansehung des im Blut liegenden Leichnams ihres unglückseeligen Sohns in eine Ohnmacht gefallen, und wenig gefehlt, daß sie nicht auch vor Leydwesen dahin gestorben. Des andern Tags ist der todte Leichnam (welcher sonst den Rechten nach hätte sollen verbrennt werden) der ehrlichen Freundschaft zu verschonen (dann des entleibten Sohns Herr Vatter vormahlen Burgermeister zu Lübeck gewesen) in eine ungeweyhte Erden verscharret worden. Aber gleich den andern Tag darauf hat man gesehen, daß das Grab über Nacht eingesuncken. Aus welchem man gemuthmasset, die leydige Teuffel haben den Leichnam samt der Seel mit sich geführt und in der Hölle begraben. Drexelius in Nicera l. 2. c. 12. ante fin.


O unglückseeliger Tod! O gottloses End! aber was Wunder? wann [95] dieser unkeusche, liederliche Sohn, sonst nichts gethan hätte, als daß er mit seiner Mutter so gottlos umgangen, und sie dergestalten betrübet, wurde er einen solchen Tod mehr, als wohl verschuldet haben. Die Entleibung, so er hat dörffen der Mutter androhen, ist auf ihn selbst gefallen. O wie gerecht ist GOtt.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 94-96.
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