Ein und dreyßigstes Exempel.

Ein Jüngling, der unter dem Spielen auf sich selbsten fluchet, wird von einem grausamen Gespenst erschröckt.

[109] In Welschland war im Jahr Christi 1586. ein Jüngling der sich dem Würffel und Karten-Spiel unmäßig ergeben hatte. Nun geschahe es einstens, daß, indem er bey nächtlicher Weil mit seinen Cammeraden gantz begierig spielte, und (wie es eben beym Spielen insgemein geht) sich unter ihnen ein Zanck und Wort-Streit erhebte; und aber die andere ihm nichts draus gehen liessen, er gantz frech in diese Wort ausgebrochen: der Teufel soll ihn hohlen, wann deme nicht also, wie er behaupte. Und siehe! kaum hatte er den Wunsch gethan, da erzitterte das gantze Zimmer, wo diese Spieler beysammen waren. Bald darauf liesse sich an der Wand des Zimmers ein erschröckliches Gespenst sehen, welches von einem Winckel des Zimmers in den anderen fladerte; und das mit solchem Schrecken des Fluchers, daß er in eine Ohnmacht dahin gesuncken. Wie er sich aber wieder erhohlet, fiele er auf seine Knye nieder, und bate GOtt mit aufgehebten Händen um Verzeyhung wegen des gethanen frechen Fluchs; mit dem Versprechen, des andern Tags eine heilige Meß lessen zu lassen, wann das Gespenst abweichen wurde. Allein er wurde nicht gleich erhört: dann das Gespenst nicht allein in dem Zimmer noch herum fladerte; sonderen auch das Liecht, so auf dem Spiel-Tisch branne, auszulöschen sich bemühete: welches aber die andere Cammeraden mit Vorhaltung eines Crucifix Bilds verhindert, und vom Liecht abgetrieben. Allein [109] dieses Gefecht mit dem Gespenst daurete die gantze Nacht hindurch, bis endlich der Tag anzubrechen begunnte: da dann auf gegebenes Zeichen des Gebett-Läutens das Gespenst mit erschröcklichem Geräusch abgewichen, und verschwunden. Es hatte sich aber darum der Schrecken bey dem Flucher nicht verlohren; indem er noch immer in Sorgen gestanden, das Gespenst möchte ihn etwann die darauf folgende Nacht auf ein neues schrecken, oder wohl gar weg führen. Damit er sich dann auf allen Fall versicherte, nahme er seinen Weeg in aller Frühe in ein nächst gelegenes Closter: allwo er eine reumüthige Beicht abgelegt, mit dem Versprechen, sein Lebtag nimmermehr einen so frechen Fluch zu thun. Welches er auch heiliglich gehalten, und forthin von fernerem Schrecken, und Beunruhigung des Gespensts erlediget worden. Franc. Bencius in Annal. Soc. Anno 1586. de rebus Collegii Vercellensis.


O wann alle Spieler und freventliche Flucher allezeit an dieses Gespenst gedenckten, wie wurden sie sich besinnen, bis sie auf sich selbsten fluchten! und viel minder dem Teufel, als dem abgesagten Feind der Menschen, ruften; freche Gesellen, ihr dörffet ihm eben nicht ruffen; er kommt wohl vor sich selbsten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 109-110.
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