6. Auf Calepinus, den Schulmeister

[413] Hört wie der Calepinus flucht,

Indem er nach der Ruthe sucht,

Wenn einst sein Schüler unrecht schreibet,

Und nicht stets bei der Vorschrifft bleibet;

Doch dieser hat noch weit so nicht

Die Ruht', als der verdient den Besen:

Was diser schreibet, kan ich lesen;

Und kan nicht hören, was der spricht.1


Fußnoten

1 Und kan nicht hören was der spricht. Wie man von einem verdrüsslichen Menschen saget, dass man ihn nicht sehen könne, ob man gleich denselben vor Augen hat; also spricht man auch von einem Flucher und Lästerer dass man ihn nicht hören könne, ob gleich man ihn nur gar zu viel höret. Die Redens-Arth ist zweydeutig, und hat einen wahren und falschen Verstand, doch so, dass der wahre einem vernünfftigen Leser so gleich in die Augen scheinet. Im übrigen so hat Calépinus keine Ursach böse zu sein; sintemahl man stat der einen Uberschrifft die in der vorigen Ausgabe zu finden war, ihn allhier mit zweyen beehret hat. Es endigte sich jene mit folgendem Vers:


Der arme Schüler schreibt indessen, und man lisst,

Dass jeder Buchstab hier der Furcht ihr Bildnüss ist.


Ob nun gleich dieser Gedancke so uneben nicht ist, so hat man dennoch gedacht es wäre derselbe nicht spitzig gnug damit eine Uberschrifft zu schliessen, und deswegen denselben verworffen.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 413.
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