34. Des Schäfer Paris Urtheil

[230] In einem Knittel-Gedicht.1


Als sich vor einem Ochsentreiber

Entblössten einst drey freche Weiber,

Und er auff ihr verwirrt Geschrey

Solt' urtheiln, wer die Schönste sey,

Auch dass man in ihm Muht erweckte,

Die Ein' ihm ein Stück Gold2 zusteckte,

Da stand er als ein Dudentopff,

Und kratzte lächelnd seinen Kopff;

Zwar sah' er als sie vor ihm stunden,

Und nichtes hatten umgebunden,

Dass die Gelegenheit nur Haar

Von vorne hab', hier offenbar;

Doch dörffte, dieser zu bedienen,

Der Tölpel sich nicht gleich erkühnen.

Zuletzt grieff' er, wie er sie fand,

Die Eine bey der blossen Hand,

Und sagte zu den zweyen andern:

Ihr könnt nur frey von hinnen wandern,

Denn ich bin, was ihr bey der Sach'

Auch sucht, derselben viel zu schwach.

Als Schultheiss3 kan ich euch ja allen

Unmöglich nicht zugleich gefallen;

Und wo ihr von was anders sprecht,

Viel minder als ein Bauer-Knecht.


Fußnoten

1 In einem Knittel-Gedicht. Ich wüste nicht, wie man das, was die Frantzosen Poeme Burlesque nennen, durch ein besseres Wort hätte ausdrücken, noch diese thörichte Begebenheit durch ein füglicher Gedichte vorstellen können. Man siehet in der That klärlich aus derselben, dass wie die alte Poeten ihre Helden zu Götter, sie also im Gegenteil ihre Götter zu gebrechlichen Menschen gemacht haben.


2 Ein Stück Gold. Den güldnen Apffel der Eris oder der Zwytracht mit der Aufschrifft: Detur pulcherrimae.


3 Als Schultheiss. Wo ich als Richter, will er sagen, in der Sache sprechen soll, so kan ich ja alle drey nicht vergnügen; und wo ihr einen Ritterdienst von mir erwartet, so hab ich gut Glück, wo ich auch nur eine vergnügen kan.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 230.
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