2. Gemähld der zweyen Gebrüder, Castor und Pollux

[371] Mein Pinsel ist zu schwach zu mahlen

Zwey Sterne, die am Pol des Nordschen Himmels strahlen:

Der eine schützt das feste Land,

Des andern Einfluss ist der weiten See bekant;

Es stammen voller Glantz beyd' aus der Götter Blut,

Gleich woll gestalt, und gleich von Muht.[371]

Doch düncket mich, wenn ich den einen recht betracht',

Dass man vor Tugend nichts, was nicht belebt ist, acht';

Und wenn den andern ich mit jenem will vergleichen,

Es sey der Ernst ihr wahres Zeichen:

Die Juno selbst erkennt in ihnen Ammons Bild,

Und beyder wunderwürdig Licht,

Das täglich heller scheint,1 verursacht das sie nicht

Den wollgerathnen Fehltritt schillt.


Fußnoten

1 Und beyder Wunderwürdig Licht, Dass täglich heller scheint. Der eine ist leider nunmehro, und als er am hellsten schiene untergegangen; so dass hiedurch ein gekröntes Haubt und mit ihm ein gantzes Königreich in grosse Betrübnüss gesetzet worden.


Extinctum Nymphae crudeli, funere Daphnim

Flebant, vos coryli testes, et flumina Nymphis:

Cum complexa sui corpus miserabile nati

Atque Deos atque astra vocat crudelia Mater.

Daphni tuum fortes etiam ingemuisse Leones

Interitum, montesque feri sylvaeque, loquuntur.


Und weil ich einen jungen Helden, in diesem zu seiner Zeit gleichfals so sehr beklagten edlen Schäfer vorzustellen den Anfang gemacht; so will ich ihm auch desselben Grabschrifft zugleich hiemit zugeeignet haben:


Et tumulum facite, et tumulo superaddite carmen:

Daphnis ego in sylvis, hinc usque ad sidera notus,

Formosi pecoris custos, formosior ipse.


Virg. Ecl. 5.

Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 371-372.
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