24. Auf den Poeten Eschilus

[383] In Knittel-Versen.


Der Eschilus verliess die Stadt,

Dieweil man ihm geweissagt hatt'

Ein Fall würd' ihn erdrücken;

Doch als er sich auf's Feld gemacht,

Und ausser der Gefahr sich dacht,

Da must' es sich so schicken:

Dass als er saas und machte Vers',

Der schlimme Vogel Jupiters

Ihm auf das Haubt was thate;1

Wodurch ihm gleich im ersten Winck

Gefühl, Gehör' und Sehn verging,

Und er erfuhr zu spate;[383]

Dass wer vor seinem Schicksal flieht,

Demselben stets entgegen zieht.


Fußnoten

1 Ihm auf das Haubt was thate. Man meinet die Schildkröte, welche der Adler auf des Poeten kahlen Kopf fallen liess, in dem er denselben vor eine Steinklippe ansahe, und sich folgends zu dem Poeten überaus wol schickte. Denn was schicket sich wol besser zusammen als ein blinder Adler und ein tummer Poet. Sintemahl der eine des andern Sinnbild ist. Weshalben man denn auch allhier die Knittel–Verse, als welche sich zu dieser Sache am besten reimen, zu Hülffe genommen; Und die in der vorigen Ausgabe sich befindende ernsthaffte Überschrift desto lieber verworffen, weil man in derselben durch eine ungeheure Scharff-sinnigkeit, einen Blitz aus der Langsamkeit, und aus der Schildkröt einen Donnerstrahl gemacht hatte. Zwar hat man gleich Anfangs den Centaurischen Witz derselben durch folgenden Verss zu mässigen gesucht:


Es zeigt uns Eschilus, dass was auf Erden lebt,

Des strengen Schicksals Schluß vergebens wiederstrebt;

Und die Behuttsamkeit hier keinen Menschen schütz':

Denn ehe diesen solt' ein Augenblick verweilen,

So wird ins Adlers Klau' ein jedes Ding zum Blitz,

Und die gespornte Zeit lehrt einer Schildkröt' eilen.


Man hat aber auch in diesem aufgeschollenen Witz die Schwäche desselben verspüret, und weil man gesehen, dass keine gute Worte helffen wolten, zuletzt aus Ungeduld nach dem Knittel gegriffen.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 383-384.
Lizenz:
Kategorien: