7. Auf Denselben

[374] Ich schau' in Cicero, bey dem werwirrten Stande,

Zugleich der Menschen Kräfft' und ihre Schwachheit an:

Er war der Römer Ruhm und Schande,

Und mit viel Tugend kaum ein Mann.1

Begierig nach dem Ruhm, doch sorghafft vor sein Leben;

Beredsam, aber meist sich selber zu erheben;2

Bedachtsam wie, nicht was er sagt:3

Der Römer Schutz-Gott, und verzagt.


Fußnoten

1 Und mit viel Tugend kaum ein Mann. Alle andre Tugenden hat ein Mann mit den Weibern gemein: die Herrnhafftigkeit allein ist desselben unterscheidendes Zeichen. So dass wenn es ihm hieran fehlet, man ihn kaum einen Mann heissen kan.


2 Aber meist sich selber zu erheben. Dieses wie es aus hundert Oertern seiner Schrifften; also kan es insonderheit aus diesem schönen Lateinischen Knittel-Vers den er selber auf sich gemacht hat, verspüret werden: O fortunatam me consule Romam.


3 Bedachtsam wie nicht was er sagt. Sein grösster Fehler war, dass er gerne auf andre Leute stachelte, und sich seines Witzes in den meisten Fällen zu seinem grossen Nachtheil bediente; so dass ihm auch zuletzt seine Zunge den Hals kostete: Ego quoque tibi jure favebo, sagt er eins zu einem vornehmen Römer dessen Vater ein Koch gewesen war; und rückte ihm folgends in diesen Worten seine niedrige Herkunfft vor, weil die Römer Quoque und C o q u e auf einerley Weise aussprachen.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 374.
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