48. Auf Denselben

[198] Es rühme wer da wil in Brutus Cesars Mord,

Und schreib' auff dessen Grufft der Freyheyt blutig Wort,

Weil Brutus Undanck ich1 bey Cesars Wolthat setze,

Und Freundschafft über Freyheit schätze.

Es leb', es lebe der Tyran!

So lang' als seiner Macht auch seine Tugend gleichet,

Und er mit grösserm Ruhm dem Volck die Fesseln reichet,

Als ichs in Freyheit setzen kan.


Fußnoten

1 Weil Brutus Undanck ist. Dass dieser Meuchel-Mörder von Cesar durch unzehlich viel Wolthaten verpflichtet, und unter die Zahl seiner besten Freunde gerechnet worden sey, ist mehr als zu wol hekant. Weshalben man sich billig zu verwundern hat, dass Cowley einer der berühmsten Englischen Poeten, eines der berühmten Englischen Gedichte Brutus zu Ehren geschrieben, worin er denselben über alle sterbliche Menschen erhoben hat, und folgends manch unbedachtsames Gemüht zur Unruhe verführet, und aus manchem Halb witz einen Molesworth gemachet, welcher unterm falschen Schein der Freyheit eine wolgegründte und rechtmässige Herrschafft nicht allein durch heimliche Umschweiffe in seinem eignen Lande, sondern auch durch öffentlichen Druck in einem Frembden unverschämter Weise angefochten hat. Im übrigen so wird man ohne Zweiffel auch in diesen beyden Uberschrifften den Unterscheid des Verfassers Jahre verspüren, indem man den eitlen Witz der Ersteren in der andern mit mehr nachsinnen verbessern, und die Kräffte des Verstandes durch eine grossmüthige Meinung ans Licht setzen wollen. Man hat die Erstere nicht ausgestrichen, weil man allen Lesern zu gefallen, und die andere auffgesetzet, weil man die Verständigste auff seine Seite zu ziehen gesuchet hat.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 198.
Lizenz:
Kategorien: