15.

Wie der kauffman Hermann nach dem hirten Erich und seiner haußfrawen, die beim viech auffm felde waren, schicket, im rechnung zů thůn; darab der hirt seer erschrack, dann er in vil jaren kein rechnung gethon, und wie er von seinem weib Felicitas getröst war.

[306] Ir haben oben gehört, wie Lewfrid on alles urlaub seiner eltern, vatter, můter, herren und frawen hinweggescheiden was, welche jetz in das achtend jar nichts von im vernomen hatten, wußten auch nit, ob er lebendig oder todt was. Sein vater und můter klagten sein hinscheiden teglich mit grossem jamer; dann sie stůnden all jar in sorgen, der kauffman Hermanus wird sie von dem hoff stossen, dieweil ir son Lewfrid nit mer vorhanden wer; so möcht der kauffman auch argwönen, sie trügen wissens umb irs sons hinwegscheiden. Dise sorg trůgen sie gar umbsonst; dann Herman an dem brieff, welchen Lewfrid hinder im gelassen, wol verstanden hat, das hirt Erich und seim weib des knaben hinscheiden verborgen gewesen wer.

Es fügt sich an einem tag, das Hermanus der kauffman zů Erichen, seinem meyer, schicken ließ, er solt sich mit seiner haußfrawen underreden, dann er wolt in kurtzen tagen rechnung von ihm haben. Sobald Erich und Felicitas, sein haußfrauw, semlichs vernamen, erschracken sie gar seer; dann sie in vil jaren kein rechnung gethan, so hat in ir herr vormals nie kein angemůtet.[306]

›Ach gott,‹ sagt Erich, ›yetz geschicht uns das, vor dem ich mich lange jar besorgt hab. Warumb bin ich nit noch in meinem alten stath! So sessend wir jetzund rüwig in unserem armen heüßlin. Wann ich des tags meines viehes gehüt het, wer ich darnach aller sorgen entladen gewesen, het mich in kein rechnung noch grose sorg stecken dörffen. Wol dem, der in armůt und frey lebet und kein dienst zů versehen hat! Ist einer an einem ampt, pfleg oder schaffney und gebraucht sich jederman der billigkeit, so wirt er von gemeynen unwarhafften leuten hindergangen. Die bringend ihn mit schmeichenden und listigen worten dohinder, das er in vertrewt, lihet und borgt. Alsdann schwellend sich die zins zů hauff, so kumpt der herr, des schaffner oder pflegman er ist, begert rechnung an seinen schaffner, will bezalt sein, als auch billich. Ach gott, so stat dem schaffner von den zinßleüten die zins noch auß; der herr erzirnt über in, stoßt in von seinem dinst. So findt man bywilen zinsleut so leichtfertig, dörffend schweren eyd und ehr verpfenden, sie haben ir zins gericht, so sie es nie in sin genummen haben. Ist dann ein schaffner rauch, streng und ernstlich, begert zů rechter zeit, was seinen herren von recht geburt, můß er ein tirann, hund und wüterich von allermenigklich gescholten sein. Also ist einem jeden meyer, so auff eines herren hoff sitzet, dieweil dem herren alle ding nach dem willen eingaht, der hoff, acker, wisen und das vieh grossen übernutz tregt, alsdann ist der meyer liebgehalten. Bald aber mißgewäß in die frücht kummen, unfal under das vieh, so das man hinder sich büssen můß, alsbald wirt der meyer unwert; sein herr legt alle schuld auff in; dann můß er die acker übel gebawen und on mist gelassen haben, das vieh on wartung gelassen. Nun bezüg ich mit der warheit, das ich meinen herren in allen trawen gedient hab, im all sein geschefft nach dem treüwlichsten außgericht, sein gůt zům genewisten zůsammengehalten. Noch ist mir als einem armen einfaltigen baursman, so mit der schrifft nie umbgangen, nit müglich rechnung zů geben, dieweil in langen jaren mein herr kein von mir begert hat. Ach, mein liebe Felicitas, gib hirinnen deinen gůten und getrewen raht, weß wir uns in diser sachen halten wöllend! Dann ich für mich selb nit weiß[307] genůg bin. Wolt gott, unser son Lewfrid vorhanden wer, es solt uns darzů nit kummen sein. Ich sorg aber, unser gevatter zweiflet uns von unsers sons abscheyd wissens getragen haben.‹

Felicitas als ein getrewe rahtgebin irs lieben mans fing an und sagt: ›Mein allerliebster gemahel, nit bekümmer dich ab unsers lieben herren und gevattern botschafft! Dann ich erkenn in dermassen, er wirt uns nichts unmüglichs anmůten, noch weniger von uns begeren. Dann vergangen marckt, als ich bey im gewesen bin, nicht anders an im gespürt hab dann alles gůten. Er fragt gantz freüntlich nach dir, wie dirs gieng, ob du gesund und frisch werest, und insunderheit, ob mir noch nits von unserm son Leufrid hörten. Ich im auch mit aller bescheidenheit uff sein red antwort gab, und under anderm bat ich in früntlich, er wolt uns unsers ungehorsamen sons nit entgelten laßen, dieweil es uns on wissen gewesen wer.‹ Auff sollich mein bit sagten sie beide: ›Solichs ist uns unverborgen; dann Lewfrid hat einen brieff hinder im gelassen, welcher uns alles seines vorhabens verstendigt hat. Doch,‹ sagt der herr, ›bin ich gůter und gewisser hoffnung, ich wöl nit ersterben, Lewfrid sol zůvor wider von mir gesehen werden.‹ Er sagt auch dabei: ›Ich bin gůter hoffnung, sein sachen standen gantz glücklich und wol; dann ich seinenthalb in kurtzer zeit manchen frölichen traum gehabt hab.‹

Mit disen und derengleichen worten tröst Felicitas iren gemahel, also das er zuletst gůte hoffnung gewan, die sach wird wol gegen seinem herren ston. Als nun der bestimpt tag kommen was, Erich und sein weib in die stat kamen zů irem lieben herren und frawen und gevattern. Sie wurden fast ehrlich und wol von in empfangen, darab Erich erst einen trost gewan und nit mer so traurig was.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 306-308.
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