2.

Wie Felicitas eines jungen sons genaß in beywesen Lyseta, des kauffmans weib, was sich auch weiters mit Lotzman dem lewen begeben hatt.

[271] Nachdem sich nun die zeit verloffen unnd Felicitas, hirt Erichs weib, die frucht, so ihr von gott beschert, an ihr statt io getragen unnd sie jetzund die kindtsweh umbgeben, hatt sie bald ihren haußwürt inn die statt nach ihrer zůkünfftigen gefetterin geschicket; dann also hat Hermanus die ordnung geben. Bald ist er sampt seinem weib, auch andren gůten freunden auff ein hangenden wagen gesessen, dem dorff zůgefaren, in welchem der hirt Erich sein wonung hatt.

Als sie aber nit lang da gewesen, ist die gůt Felicitas der recht ernst ankommen, hatt also in beywesen Lysete, auch ander züchtigen frauwen einen schönen jungen son an die welt bracht. Sobald diß Lyseta wargenomen, ist sie zů ihrem gemahel Hermano gelauffen, ein frölichs bottenbrot von ihm begeret; der sich dann gar größlichen erfrewet hat, insonderheyt als er vernam, das sie eins jungen sons gelegen was.

Als sie nun das kind gebadet, hand sie auff seiner lincken brust gegen dem hertzen ein můtermal funden, einem leuwendatzen oder topen gleich geformiert. So bald Hermanus sampt seiner gesellschafft sollichs ersehen, haben sie gleichformiger red zůsamengestimpt unnd gesagt: ›Gewißlich würdt ein mannlicher und theurer held auß disem kind werden; dann dise und andere zeichen, so an im gesehen, geben des gnůgsame und gewisse kundtschafft.‹ Lyseta als ein geschefftig und fürsichtig weib hat zůvorderst versehen, das der armen[271] Felicitas mit aller notdurfft gepflegen ward, damit sie bald wider zů iren krefften kummen möcht. Demnach hand sie verordnet, das kind zůr tauff zů tragen. Felicitas aber ist mit köstlichem betgewand, decken und goltern gar rychlich versehen worden, als wann sie eines reichisten burgers weib gewesen wer.

Als man aber das kind auß dem hauß getragen, ist der lew zůgegen gewesen, hat mit grausamer stimm gantz erschrockenlich angefangen zů prüllen, gleich als wann man in seiner eignen jungen wölffen hett berauben wöllen. Als nun der kauffman dise ding all gesehen, ist er mit seinen gůten freunden zů raht worden, dieweil der lew so fridsam und freundtlich jetz lang zeit bei vilgemeltem hirten gewont, wöllend sie das kind Leüfrid mit seinem namen nennen. Das dann also geschehen ist; das kindlin ward mit grossen freuden zů und von der tauff getragen.

Demnach hat Hermannus ein köstlich malzeit in dem wirtzhauß zůberaiten lassen und menigklich darzů berůffen, weib und man, so dann in dem dorff doheimen gewesen sind. Vor den allen hat er dem hirten Erichen ein hoff und geseß ingeben und in als seinen meyer darauff gesetzt. Das kind aber hat er seiner rechten můtter befolhen in gůter pfleg zu halten, biß es zum wenigsten eines jars alt worden; darzů hatt er allen tag ihr köstlich speis und dranck zůgeschicket. Sobald sie nun vierwöchig worden, hat hirt Erich sein ampt und hirtenstab von im geben, auff gemelten meyerhoff, welcher gar nahend an der statt gelegen, gezogen, seinen lewen mit im genommen, der dann je lenger je heimlicher worden ist. Dann so offt er in die statt, seine geschefft außzurichten, gon thet, liff Lotzman der lew mit im; der ward alsdann von menigklichen gespeiset.

Zůletst aber, als dem künig so vil von gemeltem lewen gesagt, nam er den an den künigklichen hoff. Davon hirt Erich in groß leyd kam; dann er sich dermassen so übel gehůb, als wann ihm seiner blůtverwandten freund einer mit todt abgangen wer. Nit weniger trawret auch Felicitas, deßgleich Hermanus. Diß sey genůg von dem leuwen gesagt biß zu seiner zeit.[272]

Lewfrid, daß kind, ward gantz müterlichen und wol ernert, so das diß kindlin inn kurtzen tagen gar schon unnd frechs leibs ward; dann sein můter Felicitas von Hermanno und seinem weib gar wol mit aller notdurfft underhalten ward sampt ihrem man. Sie hielten ihrem herren auch gar wol unnd heußlich daß sein zu sammen, so das er inn kurtzer zeit einen grossen vorraht auff seinem hof spüret; dann gott gab inen beiden sonderlich groß glück, dieweil sie gotsförchtig, frum und gerecht lebten, begerten auch ihr herrschafft keineswegs zu veruntreuwen.

Dergleichen mayer man leyder zů unser zeit nit vil findet; deren aber sind gar vil, welche drey, vier zinß sammenstohn, lassen die güter ungemißt, sugen die auß auff das bar bein; wann sie dann nit mehr tragen mügen, stellend sie die ihren lehenherren wider zů handen. Davon sey nunzmol gnůg geredt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 271-273.
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