34.

Wie Lewfrid durch einen kammerbůben heimlich gewarnet ward, sich vor dem jeger zů hütten.

[354] Der graf als er semlichen anschlag mit dem jeger macht, meynet er sich gantz einich in seinem gemach sein. Es was aber neben seinem gemach ein ander kammer, in welcher der graff sein harnasch und geweer hangen hat; in deren was von ungeschicht ein kammerbůb, so dem graven seinen harnasch seüfern und butzen solt. Derselbig hört alle wort, so der graff mit dem jeger und mit ihm selb reden thet. Der knab aber hielt sich gantz still; dann er sorget sich vor dem graven, wo er sein innen wird, er möcht ihn auch umbringen, damit[354] sein anschlag nit offenbar wirde. Sobald aber der graff auß der kammer gangen waß, saumet sich der knab nit lenger in dem andern gemach, sonder mit großer eyl machet er sich darauß, name ihm auch gentzlichen für, den jungling Leyfriden vor seinen widersechern zů warnen, wo er das anders durch mittel möcht zů wegen bringen. Er fügt sich heimlich in den marstall zů des junglings pfert, schreib ein zedelin, band das dem pfert an seinen kamm, damit, wan der jungling das pfert kemmen und striglen wolt, das er semlichen zeddel fünde. Der zedel aber lautet also: ›O jungling, deine heimliche liebe ist außgebrochen; darumb stelt dir dein herr hart nach deinem leben. Des biß gewarnet und beware dich mit fleiß vor dem mörderischen jeger! Mehr will ich nicht schreiben.‹

Diser zedel schreib der bůb etlich, stieß auch dem jungling einen in sein kammerschloß. Und als er nachts in sein kammer gan wolt, die auffzůschließen, kondt er den schlüssel vor dem brieff nicht in das schloß bringen, fand also den anderen zedel, den er nit on grossen schrecken lesen ward; fügt sich auch eilens zů seinem brůder Waltern, im alle sachen offenbaret. Der auch nit wenig schrecken empfahen thet. ›O Lewfrid,‹ sagt er, ›ich bitt, wöllest dich nit saumen, sunder uns eylens von hinnen keren lassen. Dann hat im der graff semlichen weg fürgenummen, wirst du im gantz kümmerlichen entrinnen mögen.‹

›Fürwar‹, sagt Lewfrid, ›mein herr ist mir auff den heutigen tag bekommen, hat mich gantz zornigklichen wider seinen brauch unnd gewonheyt angesprochen und gantz über mich errötet. Sollichs gibt mir warlich gnůgsam anzeigung, das ich nit umbsonst gewarnet würd. Darzů hatt mich meins herren jeger so freundtlich nie angesprochen; darbey ich auch abnemmen můß, das er mich understaht umb mein leben zů bringen. Nun wolan, ich bin gnůgsam gewarnet. Darumb, lieber Walter, wöllest gestracks gerüst sein; dann ich will mich an dem schalck versuchen unnd ihn morgen frů ansprechen, das er mit mir unnd dir reitten wöll inn den wald spatzieren. Alsdann will ich wol mit listen auß ihm erfaren, ob er mir auff mein leben oder nit. Befind ich ihn dann[355] zweyfelhafft, so soll er einmal von mir bestanden werden, damit er keinem mer nach seinem leben so mörderischer weiß stellen thů.‹

Also giengen die zwen jüngling in grossen sorgen zů beth. Die nacht was in seer lang. Lewfrid klagt offt, das er je an deß graffen hoff kommen und Angliana seiner dienst unnd lieb je wargenommen hett. Walter aber in grossen sorgen was, sie wirden nit entrinnen mögen, sie můsten ir leben und leib dahinden lassen. ›O Lewfrid,‹ sagt er, ›ich stand jetzunder dein und mein in grössern sorgen, dann do mich die schandtlichen mörder im wald an dem baum sampt meinem knecht nacket und bloß stohn liessen. Damalen hatt ich noch gůte hoffnung, zů meinem vatter zů kommen. Dann gewiß würt der graff noch andere practick angericht haben, damit, so im eine felet, das er doch ein andere an die hand nem.‹

Dieweil sie also in grossen engsten ligen, so hörend sie einen gantz still an irer kamer anklopffen. Lewfrid stund geschwind auff von seinem bett, fraget gantz still, wer an seiner kammer geklopffet. Doch nam er zuvor sein gůt schwerdt zů seinen handen. Der jung gab gantz leiß antwort und sagt: ›O ir jüngling, nit versperrend mich lang hauß! Dann ich kom euch zů grossem trost und gelück, bin auch eben der, so euch so gantz trewlich mit meinem schreiben gewarnet hab.‹ Sobald Lewfrid semliche wort vernam, schloß er zůstund auff, ließ den knaben hinein. Der fing an und erzalt in von wort zů wort alles, was er von dem graffen und seinem jeger gehört hatt. Von diser red wurden sie etwas getröst, dieweil sie sich vor niemandts dann dem jeger sorgen dörfften. Der jung verband sich auch, mit ihnen darvonzůlauffen; dann er sorget, der graff möcht seiner warnung innen werden. Also beliben sie die nacht bey einander, machten manchen anschlag, wie sie des morgens ire sachen angreiffen wolten. Doch baten sie den bůben, an dem hoff zů bleiben biß auff eine andre und füglichere zeit.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 354-356.
Lizenz:
Kategorien: