35.

Wie Lewfrid und Walter mit dem jeger in den wald reiten, der lew Lewfriden stäts nachlieff, und wie der jeger mit einem spieß nach Lewfriden schoß, aber seiner verfehlet.

[356] Als nun die morgenröte vorhanden was, Lewfrid sich sampt seinem gesellen rüstet, alle kleinot, so sie hatten, deßgleichen ir barschafft zůsammenpackten auff das aller geschmeidigest, so sie ymmer möchten. Demnach gieng Lewfrid zů dem verrhäterischen mörder, sprach ihn gantz freundtlich an, er solt ihm zů gefallen sein unnd mit ihm auff das holtz reiten; er wer newlich mit seinem pracken auff eines hirschen gespor kommen, hett ihm aber nit gefolgen mügen, ursach das er von der nacht wer überfallen worden. Der jeger was semlicher red gar wol zůfriden; dann er meynet gentzlich, jetzund wegs genůg haben, sein schandtlichen mordt zů volbringen. Er sagt auß falschem hertzen, wie er gantz willig wer sie irer bitt zů geweren, wolt aber semlichs zůvor dem herren ansagen, damit er nit von im gestrafft wird.

Diß geredt hat sich der schalck eilens zů dem graffen gemacht. ›Herr,‹ sagt er, ›heüt ist der tag, an dem ir an Lewfriden sollen gerochen werden.‹ Sagt damit dem graffen alle ding, deß er gar wol zů můt ward, befalh damit dem bößwicht, gůt sorgen zů haben. Demnach ist er wider zů den beiden jünglingen kommen.

Also hatt Lewfrid seinem gesellen Waltern befohlen, ein wenig vor im hinaußzůreiten, ihm auch gesagt, in welcher rifier des walds er seinen warten solt. Lotzman der lew nach seiner gewonheyt hat sich schnell auffgemachet, mit seinem gesellen darvongeloffen. Sobald sie nun in den wald kommen sind, hat sich der jeger stets verhinderen und Lewfriden nachreiten; das aber hat er nicht gestatten wöllen. Do semlichs der jeger gemercket, hat er ein wenig hinfür getrabt, demnach sein pferdt schnell umbgewendt, seinen spieß zůhandt mit aller stercke nach Lewfriden geschossen. Das aber hatt Lewfrid bald wargenommen, seinem gaul die sporen geben, auß[357] dem schutz gesprengt, den bößwicht mit gezucktem schwerdt überrent und mit lauter stimm angeschreyen: ›Jetzund wird ich gnůgsam innen, das du schandtlicher verrähter meinen todt geschworen hast. Darumb soll dir dein verdienter lohn zůstohn; dann heüt můstu von meiner hand umbracht werden.‹ Damit schlůg er mit gantzen krefften zů im. Der schalck aber weret sich auch, so best er mocht. Sobald aber Lotzman der lew solchen ernst ersehen, ist er gantz grimm des mörders roß angefallen und mit gewalt zů boden gerissen, den mörder behend under sich bracht und erwürget.

Walter, welcher nit weit von dem end gewesen, hatt semliche wort von Lewfriden bald gehört, ist also dem geschrey zůgerennet, hatt von seinem gesellen alle sach erfaren, auch den lewen noch ob dem todten mörder funden und mit grossem grimmen sein fleisch von seinen beinen reissen. Also hat sein boßhaffter anschlag ein end genommen. Sind also beide eilens durch den wald geritten, iren weg auf Lißabona zů genommen, demnach in ir vatterlandt geritten. Walter erstlichen mit seinem knecht in seines vatters hauß kommen ist; aber Lewfrid hat in einer herberg eingestelt, ein zeit lang in der statt umbgangen, von niemans erkandt worden dann von seinem liebsten gesellen und brůder Waltern und seinem diener, so mit im gewesen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 356-358.
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