48.

Wie Lewfrid an einem sonnentag vor der kirchen stund, und wie in Angliana zůhand erkennen thet, ime ein almůsen befalhe zu geben.

[389] Auff nechstkommenden sonnentag vermumbt sich Lewfrid in sein kappen unnd mantel, macht für sich seinen langen bart, ging durch den wald den nechsten dem hoff zů, hat ein groß paternoster in einer handt, in der andern hand ein kleines crucifix auff einem stab. Als er nun an die porten deß vorhoffs kam, ward er on alle rechtfertigung hineingelassen; dann der portner meynet nit anderst, dann es wer Reichart der einsidel. Lewfrid stund für die kirchen, wartet, wann man zůr kirchen gon solt; dann die kirch stund in dem vorhoff. Als es nun umb die zeit ward, kam das hoffgesind nach ordnung einander nach; der graff aber kam dasselb mal nit zůr kirchen, dann er was nit so gar bey im selbs. Es hatt aber Angliana die stund kaum erwarten mögen; sie hat sich gar köstlich angethan, auch allen iren junckfrawen befolhen, ire hochzeitlichen kleider anzůlegen. Darumb ein gemeiner argwon under den junckfrawen ward, Lewfrid wird gen hoff kommen; aber keine under in allen wußt, in welcher gstalt Lewfrid seinen anschlag hat, allein Florina unnd Cordula, denen hatt Angliana alle sachen zů verston geben.

Als man nun zů dein ampt laut, kam Angliana mit ihrem frawenzimmer dahergohn in solicher schönen gestalt, anzůsehen[389] was, als wann ein schar der engeln dahergangen were. Alsbald sie nun für die kirch kummen ist, hatt sie iren liebsten brůder ersehen, der ir dann mit grosser reverentz entgegengangen. Alsbald hat im Angliana ein kostlich kleinot geben sampt einem par händschůch, darinnen auch ein brieff verborgen was. Sie sagt: ›Brůder, ich bitt, wöllest mein bey disem almůssen ingedenck sein.‹ – ›Das seind on zweifel, gnedige junckfraw! Bit auch, eüwer gnad wölle diß betbüchlin von mir in gnaden empfahen und mit flyß durchlesen; dann ir darinn finden werdt, so euch wolgefallen wirt.‹ Also hat die junckfraw das büch empfangen von dem brůder unnd den nechsten ir junckfrawen Florina befolhen zů verwaren. Florina aber unnd Cordula habend nit können für den brůder gen, sie haben ihm durch ir wincken zů verston geben, das sie in erkennen. Aber die anderen junckfrauwen in gemeyn haben sich deß brůders verwundert, wer er doch sein mög oder von wannen er doch käm, das ihr junckfrauw sich sein sovil angenumen. Jedoch ist gmeinlich die red under dem gantzen hoffgesind, es sey brůder Reichart auß dem wald einmol zů hoff kummen.

Demnach nu das ampt auß gewesen ist und man zů tisch gelütet, ist jederman wider auß der kirchen gangen. Hat sich der vilgemelt schiltbůb zů Florina gefügt: ›Ach gnedige junckfrauw,‹ sagt er, ›mag ich nit mit gunst verschaffen, das disem gůten brůder etwas gůts auß der küchi werd? Dann er ist mir seer wol bekant; ist auch nit lang verschinen, ich ihn in einer anderen gestalt sahe.‹ Die junckfrauw verstund deß knaben wort wol, darumb sagt sie: ›Junger, gang hin in die kuche unnd sag zů dem meysterkoch, das er dir gnůgsamme speiß unnd etwaß gůts geb für dich unnd den brůder! Für ihn etwann in ein portstuben und biß frölich mit ihm! Nach dem ihmbiß so kumm zů mir in mein gemach! So will ich dir ein histori anzeigen und geben, welche du dem brůder bringen solt, damit er sein zeit in dem wald kürtzen mag.‹ Diß ward alles nach der junckfrawen befelch außgericht.

Als nun Lewfrid das mal genommen, hatt er dem bůben befolhen, des morgens die histori mit ihm zů bringen, ist demnach in grossen freuden wider zů wald gangen, hatt den brieff,[390] so er von Angliana empfangen hat, gelesen. Darinnen sie im den schiltbůben zům trewlichsten befehlen thet, dieweil er ihn durch sein warnung vor dem todt bewart hett, im auch under andren zů wissen gethon, wie Walter in so grossen ehren bey dem graffen gehalten wirt. Sie bat ihn auch, wann er hinwegscheiden wolt, das er zůvor wider in seiner angenommen kleydung zů hoff kommen, damit er von ihrem vatter auch gesehen wird; semlichs möcht ihm über nacht zů grossem statten kommen. Diß alles thet Angliana auff ein sonderen list; dann sie verhoffet, dardurch Lewfriden an dem hoff zů behalten. Aber es war umbsonst; dann er einmal dem versprechen unnd zůschreiben, so er dem graffen gethon, nachkommen wolt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 389-391.
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