49.

Wie Angliana nach Waltern schicken thůt, im alle sachen offenbaren, wie Lewfrid vorhanden, auch was sie inn eygener person mit im geredt hab.

[391] Lewfrid war jetzund wider bei seinem freund und vertreweten brůder in dem wald. Angliana hat fleißiges nachgedencken, durch was mittel sie zůwegen bringen möcht, daß Lewfrid von seinem fürnemen abstünd, als das er nit wider von ir verreiten solt, sonder an dem hoff bleiben; dann sein hinscheiden was ir gantz beschwerlich.

Alsbald sie von dem tisch auffgestanden, hat sie nach Waltern geschickt, das er unverzogenlichen zů ihr keme. Walther ist der junckfrawen befelch gehorsam gewesen, eilens zů ir kommen. Angliana hat ihn gar früntlich und mit grossen freuden empfangen und mit lachendem mund also zů ihm geredt: ›O Walter,‹ sagt sie, ›so du auff den heütigen tag bey mir gewesen werest, du hettest deinen lieben brůder Lewfriden in eygener person gesehen und mit im reden mögen.‹ Walter sagt: ›Gnedige junckfraw, das kan ich gar nicht verston,[391] wie ir es gemeynen. Dann ich ye nicht meyn noch gedenck, das Lewfrid so nahend kommen sey und sich vor mir verborgen haben; dann wo ein semlichs geschehen wer, wird michs nit wenig an in verschmohen.‹ Darauff antwort Angliana: ›Diß solt du, mein lieber Walter, in keinen weg gedencken auß mißtrawen oder auß argem geschehen sein. Das Lewfrid mit mir geredt, ist in verborgener und verenderter gestalt geschehen. Dann er mit mir geredt vor allen meinen junckfrauwen, aber keine under allen ihn erkant hatt; dann er in eines waldbrůders kleydung heut zů hoff ist gewesen. Das er sich aber vor dir verhalten, ist darumb geschehen, das er gesorgt hat, du wirdest entweders so gar erschrocken oder so gar frölich worden sein, das an diner geberd abzůnemmen wer gewesen, das Lewfrid in diser verborgnen kleidung stackte. Er aber hat mir ernstlich verschriben, das du auff den mornigen tag mit dem schiltbůben zů ihm kummen solt. Dann der bůb weyßt das ort wol, do sich dein brůder auff dißmol halten thůt, als namlich bey Rycharten, dem waltbrůder im forst.‹

Do diß Walter von der junckfrawen vernam, von freüd und angst gieng ihm sein har gen berg, wiewol er kein sorg deß graven halben mer haben dorfft. Dann er teglich umb den graven was und aber anders nichs von ihm marckte, dann allein das er ein gůten willen und hertz zů Lewfriden trůg.

Er aber sorget, wo der graff innen wird, das Lewfrid in solicher verkleidung an hoff kummen wer unnd aber ihm auff sein schreiben so gar abgeschlagen het zů kummen, der graff möcht ihm das zů grossem argen und üblen auffnemen und vilicht gedencken, Lewfrid het etwas heimlicher practic auff in gemacht. ›O gnedige junckfraw,‹ sagt Walter, ›dieweil Lewfrid willens gewesen ist här zů kummen, warumb ist er dann nit mit uns geritten, dieweil im mein gnediger herr so früntlich zůgeschriben und sicher geleit zůgesagt hat? Ach, was gedenckt er doch? Mit seiner weiß solt er mich auch gegen meinem herren in argwon bringen, als wann ich auch in keinem gůten härkummen wer.‹

Darauff sagt Angliana: ›Lieber Walter, biß in dem allem zůfriden! Dann ich hab ein weg vorhanden, dardurch wir allesammen[392] wider zů friden und rhůen kummen wend, wo mir anderst Lewfrid und du volgen wöllend. Aber vor allem dingen můstu dich zů Lewfriden fügen und ihm sagen, das er gedenck und nicht hinwegscheid, er habe dann zůvor, wie ich im befohlen, sich meinem vatter in semlicher kleidung lassen sehen.‹ – Also macht Walter seinen abscheid und versprach der junckfrawen Angliana eigentlich, uff den mornigen tag Lewfriden in dem wald zů suchen, ging mit urlob von ir, den schildtbůben suchend, machet auch sein entlichen bescheid mit im, das er morgens sonder alle geselschafft mit im zů Lewfriden reitten wolt, wie dann des morgens geschah.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 391-393.
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