53.

Wie Angliana mit iren junckfrawen in den garten spatzieren ging; der graff sampt Lewfriden und Waltern auch in den garten kam, seiner tochter den brieff, so ihm von dem künig zůkommen, zů lesen gab.

[401] Angliana gedacht in ir selb: ›Wie magstu doch mit glimpff zů dem jüngling kummen?‹ Sie nam ire zwo liebsten junckfrawen Florinam und Cassandram, gieng hinden zů irem gemach hinauß in den garten; dann sie wol wußt, nit lang stan wird, ihr vatter nach seiner gewonheit wirt auch in den garten kummen, das dann auch geschah. Sobald nun der graff sein tochter ersehen, hat er sich zů Lewfriden und seinem gesellen gewendt und mit lachenden mund gesagt: ›Fürwar, Lewfrid, du hast ein gůten botten, der dir so schnel postiert hat.‹ Lewfrid gantz schamrot dem graven antwurt und sagt: ›Gnediger herr, ich weyß sicher von nichts.‹

Damit ist der graff zů seiner tochter kummen. ›Angliana,‹ sagt er, ›du bist warlich eines klůgen verstands. Dann ich erst wolt Waltern nach dir geschickt haben, so bistu vor mir in dem garten. Ich kan dir, liebe tochter, nit verhalten die botschafft, so mir von dem künig kummen ist. Darumb so wöllest disen brieff selb lesen und mir darnach auff mein frag dein gůtbeduncken zů verston geben.‹ Angliana empfing den brieff von irem vatter, lase den biß zům end, davon sie nit wenig betrübt ward und fing gar kleglichen an zů weinen, dieweil sie wol bedencken kund, das ir vatter ein alt betagt man was, des kriegs nit mer geübt, sunder gůter[401] rhů gewonet. So wußt sie auch wol, das Lewfrid nit lassen wird mit irem vatter zů ziehen; derhalben ir zwifach sorg und leyd zůhanden gieng.

›Liebe tochter,‹ sagt der graff, ›ich bit, wöllest deinen gůten und kintlichen raht mit mir teylen. Du sihst, wie ich gefaßt bin. Mein jungen und frölichen tag sind dohin, ich wird nit mer stercker, sunder alle zeit schwecher; dann es ist mit mir weit über mittentag. Noch dannocht wil mir gebüren meinem herren, dem künig, gehorsam zů sein. Ich bin auch gantz vertrewens zů im, er werde mich nit mit schwereren last beschweren. So vertröste ich mich auff Lewfriden, der ist jung, frech unnd starck; den wil ich mir zů meinem leib vorbehalten, das er allein auff mich warten soll. Darauff, liebe tochter, wöllest mir dein gůtbeduncken auch zů verston geben.‹

Angliana, welche vor jamer nit reden noch irem vatter antwurt geben kund, zůletst sich aber erholen thet, anfing und sprach: ›O mein hertzliebster herr und vatter, mir ist in sollichem fal nit müglich wenig oder vil zů rahten. Dann ich weyß wol, wann ich euch schon meines hertzen willen und meynung zů verston gib, also das ich euch raht doheim zů beleiben (das mir dann die allergröst freud auff erden wer), so weyß ich, das ir mir des orts nit volgen. Solt ich euch dann rahten, in den krieg zů ziehen und des künigs gebotten gehorsam zů sein, will mir noch vil weniger unnd gar nit gebüren. Darumb, hertzlieber herr und vatter, will ich gott alles mein anligen empfohlen haben, in auß grund meines hertzens bitten, euch in alle weg zů bewaren. Gott wolt, mir müglich were disen krieg zů wenden, damit ir, mein liebster herr und vatter, in ewerem land bleiben möchten, auch ander vil zů rhů und frid weren, vil witwen und weysen unbeleidet bleiben! Das wer mein höchste freud auff erden.‹

Antwort der graff: ›O Angliana, mein liebe tochter, mir zweifelt gar nit, dein hertz unnd mund reden gleich. Jedoch bin ich sonder zweifel, das dich noch eine sach nit wenig betrübt, wiewol du mir die nit entdecket hast. Ich aber weyß, das dich nit wenig betrübt der abscheid Lewfrids, dieweil du gehört hast, das ich in mit mir nemmen und für meinen lieutenant[402] haben wil. Das aber soll dich gar nit beschweren; dann ich bin gůter hoffnung, alle sein wolfart stand in disem krieg. Wo er sich anderst ritterlicher sachen (deß ich nit zweifel) annemen thůt, so mag er jetzund am füglichsten den orden der ritterschafft erlangen. Alsdann wirt mir dest minder verwißlich sein, das ich dich ime zů einem weib geben hab. Wer wolt darnach nit sagen, Lewfrid het mit seiner hand unnd nit durch gunst den orden der ritterschafft erlanget, darvon er dich dann billich zů weib haben solt.‹

Als nun die junckfraw Angliana dise wort von irem vatter vernam, gedacht sie wol, das im nit anderst wer, dann wie ihr herr und vatter gesagt hatt, sprach also: ›Dieweil es dann, mein allerliebster herr unnd vatter, keinen andren weg haben mag, wolan so můß ich auß einer solichen not ein tugend machen. Bit euch aber umb aller liebe willen, ihr wöllend euch auff das allerbest verwaren unnd dem glück nit zů vil vertrauwen; dann es sich zů vilmalen seer freüntlich erzeiget, hat aber hinder im – tausentfeltige far verborgen.‹ Dise und derengleichen gesprech hat der graff mit seiner tochter.

Als aber nun Angliana zeit daucht, nam sie urlob von irem herren vattern und gieng sampt iren beiden junckfrawen in ihr gemach zům theil betrübt unnd zům theil frölich, als sie jetzund ungezweifelt erkant, das ir liebster Lewfrid bey ihrem vatter in höchsten gnaden was.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 401-403.
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