55.

Wie der graff mit seinem volck hinweg scheid, wie Lewfrid sein liebste Angliana in grossem leyd hinder im verlaßt, dann sie seer krank ward, und wie Walter zů hoff bleib, seinem vatter ein bottschafft zůschickt.

[405] Als nun die zeit verliff und der tag sich nehert, das jederman zů Lißbona solt erschinen, hat der graff auff einen bestimpten tag in seinem land lassen umblasen, das meniglich, so in die reyß verordnet was, solt erscheinen an seinem hoff. Do ist kein hindersehens gewesen, sonder alle gar auff bestimpte zeit auff einen tag zů hoff geritten kommen. Aldo[405] hat der graff ein fürstlich malzeit gehalten, alle burger früntlich geladen und sich mit in geletzt, darbey gebetten, in seinem abwesen sich burgerlich und früntlich mit einander zů halten; das sie im dann alsammen mit willen zů thůn versprachen.

Als aber Angliana jetzund den ernst ersehen thet, so das kein hindersichsehens mehr da war, (dann der gantz hoff was erfüllet mit dem thon der trommeten und hörbeucken, so was in allen ställen ein groß rühelen von pferden, an allen orten kleppert das harnasch, und lieff je einer umb den andren, darbey Angliana gentzlichen abnam, das ir liebster herr und vatter sampt Lewfriden hinscheiden müsten) ist sie in grosses trauren gefallen, hat jetzund nichts üblers besorget, dann Lewfrid wird vor seinem abscheid nit mehr zů ir kommen.

Und als sie aber ein kleins nach dem verzogen, ist ir vatter sampt Lewfriden in gantzem küriß angethon dohergetretten. Der graff sagt: ›Angliana, mein liebe tochter, es ist schon alles mein volck vorhanden, haben sich alle gar nach dem dapffersten außgebutzet; darumb wil mir lenger nit gebüren zů verharren. Ich bit, du wöllest dir unser hinscheiden nit lassen schwer sein. Dann ich getrew got dem herren, wir wöllend unser sach bald auff ein ort gemachet haben, damit wir bald wider zů hauß kommen. Ich will dir den Waltern hie lassen; dem hab ich befelch an meinen hoff geben, er wirt dir ein getrewer haußfogt sein in meinem abwesen. Und darbei laß ich dir meinen schildtbůben; derselbig von und zů dem hauffen reiten sol, damit du jeder zeit erfaren magst, wie alle sachen standen. Deßgleich solt du mir auch alwegen zůschreiben, wie dirs gang. Fürwar so hab ich kein grösser creutz, dann allein das ich nit allen tag dich vor mir sehen solle. Hiemit, liebe tochter, befilhe ich dich got dem herren, der wölle deiner pflegen in langwiriger gesundtheit. Gehab dich wol, mein liebe tochter!‹

Semlichs geredt ging der graff von seiner tochter; dann er das zehern nit mer verhalten mocht.

Angliana gebar auch seer kläglich, das sie wol zů erbarmen was. Lewfrid jamert das fast ser, also das er auch gewölt het, das er von ihr gewesen were. Er bodt der junckfrawen[406] sein handt und sprach: ›Ach mein liebste junckfrauw, ich bit, wölt euch nit so hart bekümmeren. Sunst macht ihr euwern herren vatter sein reyß gar vil schwerer, dann sie im sunst gewesen wer. Seind getröst, ir sollend gewiß allen monat zům wenigsten post von uns haben. Gott gesegne euch, mein liebste junckfraw! Ich hoff, wir wend einander in kurtzer zeit mit grossen freuden widersehen.‹

›O Lewfrid,‹ sagt Angliana, ›wie lasest du mich in so grossem jamer! Ich sorg, mein hertz werd mir vor leyd zerbrechen; dann jetzund sihe ich dich und meinen lieben vatter hinreiten ewren feind entgegen, der dann mit grossen grimmen und gewerter hand euch begegnen wirt. Wann unnd so offt ich semlichs gedencken wird, wie mag ich ymmer frölich werden!‹ – ›Seind getröst,‹ sagt der jüngling, ›mein allerliebste junckfrauw! Wir hoffen, glück werd auff unser syten sein, domit mir unsere feind ritterlich erlegen, mit grossen triumph wider zů land kummen.‹ Domit umbfieng er die junckfrauw, schied in grossem unmůt von ir.

Angliana vor schmertzlichen weynen kein wort mer gesprechen kund, bleib also bey iren junckfrawen in grossem leyd sitzen, biß man jetzund auffbließ, jederman sich zů roß schicket. Inn dem der graff auffsaß, seinem volck allensammen genadet, zů dem schloß außreit durch die statt. Ihm reit Lewfrid zůnechst auff dem fůß nach, demnach aller sein adel, so er im land hat, fast wol geburtzt mit allem, das in von nöten was. Da geschah ein jemerlichs klagen und weynen von dem gemeinen volck, als wann man iren herren gleich zů grab tragen wolt.

Angliana hat sich zů obrist in irem gemach in ein fenster gestelt, domit sie dem zeüg lang nachsehen mocht. Sie wunscht in vil glück und ein fröliche heimfart nach. Unnd als sie aber jetzund niemand mer hat sehen mögen, ist sie in ihr gemach gangen, den tag gar nicht anders gethon dann seüftzen, klagen und weinen, gar kein speiß noch dranck gebraucht, biß der ander tag erschinen ist.

Walter aber ist die erst tagreiß mit Lewfriden geritten, sich gnůgsam mit im underredt, wes er sich derzeit halten solt. Er gab auch Lewfriden einen brieff, den solt er zů[407] Lißabona verschaffen, damit er gon Salamanca seinem vatter geantwurt wird, so möcht sein vatter wissen, was seine geschefft weren. ›Sunst weyß ich wol,‹ sagt Walter, ›wird mein vatter in grossen sorgen meinethalben ston.‹ Also blieb Walter die nacht bey Lewfriden. Morgens namen sie urlaub von einander, und reit ein jeder seines wegs. Walter wider gon hoff, und Lewfrid mit dem graven gon Lißbona reit, do sie dann von dem künig gar herlichen empfangen wurden. Dann sie mit einem schönen züg geritten kamen, davon ihm der künig nit kleine freüd nam.

Es ward auch in kurtzer zeit alle ordnung gemacht und geben, damit ein jeder wissen mocht, was sein befelch war. So kam dem künig auch tegliche post von seinem volck, wie der künig von Castilien täglichen grossen schaden thet; darumb so begerten sie hilff und entschüttung an ihm, und wann die hilff schon nit seer groß were, wolten sie dannocht dem find in kurtzer zeit ein abbruch thůn und dermassen abkeren, das in in Portugal nit mer glusten solt; dann sie hatten den find dermaß erfaren, das nichs hinder im were; dannocht aber weren sie gar zů schwach, so wer kein reysiger züg vorhanden, so sie möcht entschütten. Sobald der künig dise botschafft vernam, sein volck auch schon bey einander hat, ließ er verordnen, das man des morgens auffblasen solt und den nechsten anziehen. Das alles geschach nach befelch des künigs.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 405-408.
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