58.

Wie Angliana nach Waltern sendet, im den brieff zů lesen gab, so der knab von irem vatter bracht hat, was grosser freuden er davon empfing.

[413] In grossen unseglichen freuden was Angliana; mit ir erfrewten sich auch alle ire junckfrawen, in sonderheit Florina und Cassandra. Sie schicket auch nach Waltern. Der kam eilens; dann er meynt, der junckfrawen were etwas übels widerfaren. Sobald er nun in ir gemach kam, ging sie im mit grossen freuden entgegen, empfing in gar früntlich weder andere mal. ›O Walter,‹ sagt sie, ›ich můß dich der grossen freuden auch theilhafftig machen; dann uns gar gůte botschafft von meinem vatter kommen ist.‹ Damit gab sie im den brieff. Den laß Walter von anfang biß zům end; davon im sein hertz in grossen freuden schwebet. ›O Angliana, ich sag[413] euch sicherlich,‹ sprach Walter, ›diser brieff erfrewt mich mehr, dann mich der fordren nächt ein traum erfrewen thet.‹ – ›Wie was der?‹ sagt Angliana.

›Mir traumet,‹ sagt Walter, ›wie ich meinen liebsten brůder und gesellen Lewfriden in einem grossen gedreng unnd scharmützen inmitten under seinen feinden ersehen thet. Die alsamen mit krefften zů im schlůgen und schussen seer vil tödtlicher vergiffter pfeil auff ihnen. Er aber mit grosser macht und geschwinden streichen sich under seinen finden arbeitet, zůletst aber verschwand mir Lewfrid vor meinen augen, unnd was der streit schon geendet. Bald syhe ich einen jüngling, dem was sein haupt entblößt, hat nichts darauff dann einen schönen krantz von lorberzweigen gemacht; in seiner lincken hand fůrt ein gebunden und gefangen, derselb was mit gar köstlichem vergultem küriß bekleidet, sein haupt mit einem gleysenden helmlin bedecket, das fysier fürgeschlagen, also das in niemans erkennet. Der jüngling in dem lorberkrantz fůrt in seiner rechten hand ein bloß schwerdt allenthalben mit menschlichem blůt besprenget. Ich sahe in mit gantzen ernsten under sein angesicht, was mir gentzlich, wie ich in solt kennen, het in auch fast gern angesprochen. Sein angesicht aber was seer erschrockenlich anzůsehen, deshalb ich underließ mit im zů reden. Also gieng er fürüber mit dem gefangnen und überantwort in dem künig. Als mich aber solich gesicht gar angsthafft inn meinem schlaff machet, thet ich zůletz gentzlich erwachen, lag die übrig nacht in schweren gedancken, stetig bedencken thet, wie mir Lewfrid also auß meinem gesicht verschwunden were. Nun aber bin ich wol zůfriden; dann mir ist schon des traums deutung durch disen brieff auffgelöset. Dann das ich Lewfriden auß meinem gesicht verloren, ist anders nichts, dann das er mir vormals nie anderst erkandt gewesen ist dann ein schlechter reutersman, und aber jetzund durch sein schwert und mannliche hand den orden der ritterschafft erlanget hat. Semlichs gibt mir anzeigung der lorberkrantz, so er auff seinem haupt trůg. Darumb, liebste junckfraw, mich dise bottschafft billich erfrewet.‹

Als sie nu ir zeit mit mancherley gesprech kürtzten, dieweil lieff der schiltbůb allenthalben an dem gantzem hoff umb,[414] Waltern zů sůchen, damit er auch ein bottenbrot von ihm belonen möcht. Letst ward im gesagt, wie er in dem frawenzimmer bei junckfrawen Angliana wer. ›So ist mein anschlag umbsunst,‹ sagt der knab. Erst fing er an dem andren hoffgesind die botschafft zů verkündigen. Das geschrey kam auch in die statt under die burger, die wurden mit grossen überschwencklichen freuden umbgeben. Als sie vernamen, das ir liebster herr noch frisch und gesund was, warden allenthalben in der statt freudenfewr gemachet; auch kleideten sich alle burger in ein gleiche farb, damit sie irem herren mit freuden und zierlich möchten entgegenreiten und zů fůß ein feinen hauffen ins feld fieren.

Als nun der künig einen stethen und ewigen pundt mit dem künig von Castilien auffrichtet, hat er auch allen kriegskosten außrichten und bezalen müssen. Alsdann hat ihn der könig widerumb in sein land ziehen lassen, und ist auch alles kriegsvolck wider geurlobt worden, der graff mit seinem volck auch wider heimzogen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 413-415.
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