13.

Wie Wilbaldus und Lottarius der sachen zů unfriden wurden, von einander kummen. Lottarius sich zů Prüssel einem metzger verdinget, Wilbaldus aber in dem ellend umbzog, zůlest sich zů einem bauren verdingen můßt und des viehes hüten; Lottarius seinem meister über sein schatz brach, darob ergriffen ward.

[40] Wilbaldus, der gůt jung, jetzund hindersich gedencken und erst anfieng den reüwen zu überkummen; es was aber leyder zů spot mit im. Sie giengen eines abents spat auß Antorff, bliben die nacht in einem kleinen dörfflein. Auff dem weg fieng Wilbaldus an bitterlichen zů weinen und klagen und sagt: ›O unglück, wie hast du mich in so ein grosse fortun gefürt! Ach mir armůtseligen vogel, warurnb hab ich meinem lieben vatter nit gefolget, dergleich meinem getrewen freünd und zuchtmeister Felixen, der mich in allen treüwen gemeynet! Hab ich doch ein gnůgsamme geselschafft an im und meinem lieben brůder Fridberten gehabt, mich aber ir früntschafft und gsellschafft nit settigen lassen. Ach gott, wo soll ich doch mein zůflucht hin haben! Mein vatter ist gar über mich in allergrösten zorn gefallen; meiner lieben můter hab ich das ir schantlich und lasterlich verthon, sie würt mir nicht mehr fürsetzen; meinen freünden darff ich nit mehr under augen kummen. Aller welt wurd ich zů gespott sein, die kinder auff den gassen werden über mich feisen unnd můpfen. O bösy geselschafft, wie gibst du mir jetz den lon! War wirt mir jetzund alles das, so mir mein vatter und mein getreüwer schůlmeister vorgesagt hand. Ach mir armen verloßnen jüngling! Wo soll ich auß! Arbeiten hab ich nit gewont, mein schreiben, lesen ist mir empfallen, kein herr würt mich annemen. In armůt und ellend můß ich meine zeit verzeren; sterben wer mir geheurer dann läben. O Lottari, Lottari, wie hastu uns beide so gar übel außgebeützet, uns in armůt, angst und trübsal gesetzet, darauß wir nit mehr kummen mögen! Ach mir armen, das mir dein gesellschafft ye gefallen hat!‹

Lottarius, ein schantlicher bůb und verlorner vogel, antwort[41] auff die clag Wilbaldi: ›Die schuld, Wilbalde, solt du mir mit nichten geben; dann du an der sachen allein schuld tragen thůst. Meynest du nit, mich bekummer auch schwerlichen, das ich meines vatterlandes also můß beraubt sein, auß welchen du mich brocht hast, dieweil du auß forcht nit bleiben dorftest, als du deinen schůlmeister mit einem messer durch seinen schenckell stachest? Sag an, hab ich dich eines solchen underricht? Nein warlich; dann ich von außlauffenden blut so hart erschrack, het man mich erstochen, ich wurde keinen troffen blůt geben haben. Alsdann stund ich in grossen sorgen deinethalben; dann mir der zorn deines vatters wol wissen was; weyß gewiß, wo du ihm worden werest, er hette dich in ewige gefencknüß ingelegt, darauß du zů ewigen zeiten nit kummen werest. Des du mir dann nit genůg gedancken magst; hergegen sagst du jetz das widerspiel, als wann ich allein daran schuldig wer. Des ich dann gar kein gefallens het, wann ich wißt, das deine worten ernst gewesen wer. Wolan, thů ihm, wie du wilt! Ich wil mein weg gen Prüssel nemmen, daselb umb einen meister sehen, meines vatters hantwerck lernen. Versich du dich auch, wa du magst! Dann ich weyß dir in keinen weg zů rhaten noch helffen; ich hab jetz mit mir selb zů schaffen, so hab ich als wol als du kein zerung mer.‹

Wilbaldus erst jamerlich über seinen gesellen anfieng zu klagen: ›O du schnöder unnd argelistiger Lottari, dein namen an dir ist warlich nit vergeben; dann lotterwerck, wie den lotteren gebüret, des hastu dich lang geflissen, mich mit deiner lotterey schantlich von ehren und gůt brocht, darzů der gůten meiner lieben freünd beraubet. We mir, das ich in deine gesellschafft ye kummen bin!‹

Lottarius fieng jetzo an schamrot zů werden, unnd wie er mocht, understund er sich heimlich von ihm abzůstelen, als er dann thet. Er nam sich eines unwillens gegen im an, zancketen ein weil mit einander. Lottarius sagt: ›Ich mag mich deines zanckes nit erfrewen noch behelffen, ich will dir ein wenig auß den augen gon.‹ Damit schmeichet sich Lottarius von im auß der herberg in dem dorff, darin sie lagen, also das Wilbaldus lang nymm erfaren mocht, war er kummen was.[42]

Lottarius zog den nechsten gen Prüssel; doselbst verdingt er sich zů einem reichen metzger, was ein gar alter mann, hat seer vil gesindes, knecht unnd mägt. Der leckersbůb hielt sich von anfang gar unstreflich, so das in sein meister fast lieb gewann. Er vertrauwet ihm zůlest mehr dann keinem under all seinen dieneren, dardurch er dann all sein heymligkeit erfaren ward.

Eines tages was der gůt mann über land auff einen jarmarckt gefaren, ließ den bůben in dem hauß, welchen er vormals alweg pflag mit im zů nemmen. Er befalh im, das hauß zů verwaren, das ander gesind zůr arbeit anzurichten. Das er im alles gütlich zů thůn versprechen thet; sobald aber der meister von hauß kam, wartet er mit fleiß seiner gelegenheit. Da des metzgers weib zůr kirchen gangen was, das ander gesind ir geschefft pflagen außzůrichten, hatt er mit ettlichen instrumenten seines meisters kammer auffgebrochen, demnach über sein barschafft kummen und ein grosse summa gelts zůsammengesackt hat. Als aber das gerümpel von einer magt gehört ward, hat sie eylens ein geschrey gemachet, davon die andren knecht und mägt zůgelauffen seind, haben den erschrocknen diebischen bůben ob seinem diebstal ergriffen und in gefencklich angenummen, mit gůten starcken stricken gebunden und also auff des meisters zůkunfft verwaret.

Als der nun des abens kummen ist, hat er den bůben mit ruhen worten gestrafft und gar übel außgangen. Als er aber ein barmhertzig man was und gedocht, das ihm seines gelts noch kein schaden geschehen, hat er in dem richter nit wöllen überantworten und ihm ein zerung geben, hinweg geweisen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 40-43.
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