15.

Wie es Wilbaldo gangen ist, als Lottarius, der böß vogel, von im geflohen was, auch wie sich Felix und Fridbert an irem dienst gehalten.

[47] Jetzund wend wir fürbaß anzeigen von dem armseligen Wilbaldo. Er zog in Brabant umb als ein unbekanter armer frembder jungling, hat weder zů beissen noch zů brechen; so můßt er sich auch fast übel besorgen, wo er von der langen růt begreiffen wirdt, er möcht gehangen werden; wie dann semlichs der brauch in Brabant ist. Do reiten etlich reisig im land umb, unnd wo sie semlich verloren kinder, so nit wercken wend, ergreiffen, hencken sie die gleich als warm. Vor denselben besorgt sich Wilbaldus fast übel; darumb trachtet er ernstlich, wie er auß Brabant kummen möcht und sich wider zů seinem vatterland nehen. Er wüßt aber nit, das sein můter mit todt abgangen, was noch gůter hoffnung, wann er ein botten zů ir möcht haben, sie würd im ein noturfft schicken, domit er nit in solchem jamer und ellenden läben sein zeit verzeren müßt. Er zog so lang, biß er weder heller noch pfennig mehr hatt. Niemans wolt im umbsunst nichs geben, und wann er schon durch gotts willen batt, sagt man, er wer jung und starck, warumb er nit arbeitet. Also zog er in grossem hunger durch Westphalen, demnoch durch Saxen und die margraffschafft Brandenburg, biß er kam in Prüssen. Da verdingt er sich uff einem dorff zů einem bauren, der was fast reich und hat vil viehes. Des underzog sich Wilbaldus dann in der bitter hunger darzů bezwingen thet.

Also ward er schon auß einem edelmann zů einem sewhirten. Was aber des ursach gewesen ist, habend ir oben nach der leng gehört, wie dann auch ein alt Sprichwort gebraucht würt: ›Hundert jar machen auß einem hirten ein künig unnd wider hundert jar auß eim künig ein hirten.‹ Wilbaldus, der von gůtem geschlecht und edlen stammen erboren was,[48] můß jetzund der schwein und anders viehes hüten. Hette er nach adel und tugenden gestrebt, wer im gleich wie andren gelungen. Dann wiewol Fridbertus von bewrischen geschlecht und eines hirten son was, kumpt er doch von wegen seiner gehorsamkeit und tugend zů grossen ehren unnd wirden, wie ir dann des greüntlichen bericht empfahen werden. Deßgleichen sein zuchtmeister Felix, welchen sein herr auß der schůl vom almůsen nam, seinem son und Fridberto fürzůston, der würt auch ein fürtreflich, reich unnd gelerter mann. Des soll niemants wunder haben; dann mir sehen dergleichen exempel noch vil zů unser zeit, das es auff allen universiteten und hohen schůlen ein gar gemeiner brauch ist, die armen studenten, so durch almůsen und stipendia erhalten, werden gwonlich hochglerte menner, doctores und magistri. Die andren aber, welche man mit herlichen tischen versehen thůt, inen auch zů allen zeiten gelt zůschicket, was wirt drauß? Ja selten bakellari, ich geschweig, das sie ander gradum erlangen, werden auch gemeinlich die, so in zůgeben seind auff sie zů warten und ir diener zů sein, vil geschickter dann ire herren selber, welche dann offt ir patrimonium gar verstudiren, ja ich meyn in wirtzheüsern, mit würffel, karten, wein und beir, auch mit schonen frauwen, die machend keinen bůchfürer reich. Das bleibt.

Fridbert was jetzund bey zweyen jaren kantzler am hoff zů Preüssen gewesen, hat aber kein weib. Der hochmeister gedocht im umb eine zů trachten, in kurtz ward er bedencken seines vorigen abgestorben kantzler, welcher hinder im gar groß gůt verlassen, darbei zwo schöner tochtern. Die elter was genant Concordia, ein fast züchtig, sanfftmütig unnd weise junckfrauw, die jünger was genant Felicitas, ir schwester an schöne etwas übertreffen, ir auch an allen tugenden gleichen. Der hochmeister befragt Fridbertum den kantzler auff ein zeit, ob er nit willen het zů der eh zů greiffen. Er antwortet, wo er wußt eine, bey welchern er in friden und freüden läben mocht, wolt er sich darin begeben; wo er aber des in sorgen ston solt, wolt er eh von der freyheit, in welchern er jetzunder wer, nit abtretten und vil lieber einer gůten und tugentsammen[49] frawen manglen dann mit einer wunderlichen zenkischen haußhalten.

Von solchen worten ward der hochmeister zů gelechter beweget, fraget demnach Felixen, ob er auch eines semlichen gemüts wer. Antwort Felix: ›Nein. Dann nit gůt wer, wo alle jüngling eines semlichen fürhabens sein solten; dann sunst wird nimmer keiner zů ehlichen stand kummen.‹ Darzů wußt er wol, das alles menschlich geschlecht zů leiden erboren; dieweil es dann je gelitten müßt sein, wolt er sich mit gedult darin begeben; geriet es im dann nach dem besten, so hett er gott des mehr zů dancken. Batt damit den hochmeister, wo ihm ein tochter oder wittfraw zůston, mit deren er meynet versorgt zů sein, das er im dann mit gůten rhat, steüwr und hilff wolt furstendig und beholffen sein. Der hochmeister sagt im semlichs zů; zů stund bedocht er sich nach seines kantzlers tochtem, sagt: ›Mein lieben diener, ziehend jetzmals im friden hin! Morgen zů mittag so kummend wider zů mir! Ich hab mich einer sach, so euch zů gůt erschiessen wirt, bedocht.‹

Also gieng Fridbert der kantzler sampt Felixen zů irem herren Grottlieb, dem alten ritter, namen das nachtmal in grossen freüden unnd freüntlichen gesprech, sagten dem alten ritter alles das, so der hochmeister mit in geredt hat. Davon er seer grosse freüd empfieng; dann er wußt wol, das in die sach zů gůtem glück gerhaten würt. Nachdem sie nun gessen hand, gott dem herren lob und danck gesagt, seind sie auffgestanden unnd in einen schonen lustigen garten spatzieren gangen, die speiß abgedeüwet. Als sich nun die sanfften unnd külen abendtweindlein erhebten, die sternen mit irem zwitzern die nacht daherbrachten, ist ein jeder zů bett an sein rhů gangen, haben die nacht mit süssen schlaff vertreiben.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 47-50.
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