19.
Wie Rosamunda iren liebgehabten Reinharten ir liebe zů wissen thůt durch einen brieff in einem meyen verborgen.

[237] Nun was das begeren der zweyer par, namlich Philomena und Rosamunda, dergleich Reinharts und Gabriotten, yetz gantz nach irem willen ergangen und nun der anfang nach irem beduncken schon gemacht. Aber es mocht in nit also nach irem willen zů end gon; dann das schmeichlend gelück, welches uns also lieblich anlacht, aber zůletst mit bitterem angesicht sich von uns keret, dasselb in zůletst auch ein bitteren unnd trübseligen außgang geberen thet, wie ir dann ein solchs eygentlich in diser History bericht werden solt. Das lassen wir berůgen und sagen fürthin, mit was gescheidigkeyt dise ir liebe einander geöffnet, auch wie sye die ein lange zeit heymlich getragen haben, biß zůletst die sach anfieng außfindig werden; da můsten sye sich ein wenig ihrer liebe entziehen, wiewol das auch zů beden seiten mit grossem leyd geschehen thet, wie ihrs dann wol hören werdt.

Als sich nun begab nach kurtz vergangnen tagen, das Reinhart und Gabriotto aber auff dem vil gemelten lustplatz ir kurtzweil mit dem ballen unnd ander kurtzweil sůchten,[237] doch mer darumb, das inen ir liebsten junckfrawen zů gesicht kummen möchten, sich von ungeschicht füget, das die junckfraw Philomena in irem gemach allein was. Wiewol sye Rosamunda warten was, noch forcht sye, Reinhart unnd Gabriotto vor der junckfrawen zůkunfft abweg gon würden, oder aber würd sich das ander hoffgesind zů inen auff den lustplatz fügen; derhalb Philomena in grossen sorgen was. Wie sye nun also mit mancherley gedancken beladen was, so kumpt Rosamunda gantz stillschweigend an die thür ires gemachs, mit züchten anklopffet. Philomena das klopffen irer gespielen zů stund erkennen ward, mit grossen freüden die kammerthür auffschlossz. ›Ach gott‹, sprach sye, ›mein allerliebste Rosamunda, wie hast du mich so ein lange zeit mit schweren gedancken dein lassen warten, dieweil ich deinen liebsten Reinharten also offt mit begirigem hertzen nach dir herauff an das fenster sehen sah, und er aber deiner nit sichtig werden mocht. Deshalb ich in marckt mit trawren umbgeben sein.‹

Rosamunda nit erwarten mocht, biß Philomena ihr red zů end bracht, von stund an an das fenster gieng, daran sye iren allerliebsten Reinharten meynt zů finden. Der dann seine augen auch stetigs gegen dem vil gemelten fenster keren thet, der zůhandt seiner allerliebsten junckfrawen an dem fenster ansichtig ward; des ihm von stund an sein hertz von freüden in seinem leib auffhupffet. Rosamunda anhůb, zů Philomena sprach: ›Junckfraw, ir sond meines anssenbleibens nit so groß wunder haben; dann mich nodtwendige geschefft davon entzogen hand, mir nit müglich was eh herzů kummen; aber mein hertz zů allen zeiten an disem fenster gewesen ist‹. Mit dem gered der junckfrawen Philomena ein schönen zůsamen gebundens meylin wiset, in welchen sye einen brieff mit subtilem list verborgen hat, ir damit den inhalt des brieffs wissen thet, den ich hie von kürtze wegen underlassen will.

Rosamunda dem jüngling ein worttzeichen gab. Des er bald wargenummen hett, sich behend unden an das fenster füget. Die junckfraw im das meylin hinabwarff, also sprach: ›Jüngling, der meyen würt euch offenbaren das, so mir vergangens tags nit müglich was zů sagen.‹

Als nun Reinhart den brieff mit grossen freüden in dem[238] schönen meyen verborgen Gabriotten seinem gsellen bracht und noch kein gedencken hat, das etwas gschrifft darinn verborgen wer, zů seinem gsellen sprach: ›Mein allerliebster Gabriotto, sag mir doch, ich kan mich der wort, so ich von Rosamunda gehört hab, nit verston. Dann sye sagt, diser meynen würd mich berichten des, so sye mir vor nit mit worten hett mögen anzeygen.‹ Der jüngling Gabriotto den meyen in sein hand nam, in hinden und fornen mit gantzem fleiß besehen thet, anhůb unnd sprach: ›O du geschwinde lermeysterin, dein kunst und behendigkeit nit außzůsprechen ist.‹

Reinhart sah seinen gsellen an und gedacht: ›Was meynet er doch mit semlichen worten?‹ Also sprach: ›Gabriotto, sag, wie soll ich dise deine wort verston? Was lermeysterin meynst du?‹ – ›Das will ich dir sagen‹, sprach Gabriotto, ›ich meyn die mächtig und gewaltig liebe, deren doch kein heymlicher weg verborgen ist. Sih zů, mein Reinhart, durch disen meyen würst du bericht der trew unnd liebe, so du von Rosamunda, deiner liebsten junckfrawen, wertig bist.‹

›Das můst du mir anderst dann in einem solchen weg zů verston geben‹, sprach Reinhart, ›dieweil doch diser meyen mir nichts anderst dann den lieblichen geruch geben thůt.‹ – ›So nymb in‹, sprach Gabriotto, ›und bind in auff an seinem styl! So würstu mir aller meiner red gewunnen geben.‹

Erst verstund Reinhart, wie es die junckfraw gemeynt hat; er saumpt sich nit lang und brach die blůmen von einander, da fand er ein subteiligs briefflin in dem styl des meyens mit einer kleinen geschrifft, in dem er allen willen seiner allerliebsten junckfrawen verstund. Die freüd, so Reinhart von semlichem kleinem briefflin nam, also groß was, das mir nit müglich ist die zů erzelen. ›Nun‹, sprach Reinhart, ›mag ich mich wol mit dir, mein allerliebster Gabriotto, erfrewen, dieweil ich mich weyß von der schönsten junckfrawen geliebt sein, so in der gantzen welt wonen thůt. Ich sag auch, das mir bede zů einer glückseligen stund auß Franckreich geritten seind unnd noch zů einer glückseligen stunden in diß künigreich kummen, dieweil uns das glück mit zweyen solchen schönen und züchtigen junckfrawen versehen hat, als kein mann auff erden nye versehen ward. Dann da ist kein zweiffel[239] mer zů haben, so wir uns dermaßen halten, und das wir den orden der ritterschafft erlangen, uns die beden junckfrawen zů rechter ehe werden. Was würt man dann in Franckreich sprechen, so man vernemmen würt dich eines künigs schwester und mich eins graffen tochter zům weib haben! Warlich sich noch manig jung edelman des hoffs und eines vatterlandts verziehen würt unnd sich auch an andren höffen understohn ehr zů erwerben.‹

›Dein meynung‹, sprach Gabriotto, ›fürwar nit zů verwerffen wer, wo die also gantz richtig hinaußgieng. Aber ich sag dir, Reinhart, es sei dann das wir die sach heymlichen und verborgenlich halten, mir dadurch in grosse angst und nodt gesetzt werden mögen, also das wir unsers leib und gůt darob besorgen müsten. Aber so du meinem raht folgen wilt, wend wir on alle sorg unser beder angefaugne liebe zů gůtem glückseligem end bringen.‹ – ›Des biß sunder zweiffel,‹ sprach Reinhart, ›ich mich nymmer keins andren rahts mer trösten will dann des deinen.‹

In solchem gespräch die beden jüngling ein lange zeit verharren theten, so lang biß die zeit des nachtmals kummen was, welchs sye mit freüden namen, demnach zů beth giengen, die nacht mit süssem schlaff vertreiben theten.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 237-240.
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