46.
Wie die beyden jungen ritter iren allerliebsten junckfrawen bottschafft thůnd, dardurch sye von newem erfrewt werden.

[305] Als nun Gabriotto und Reinhart yetzund in Franckreich kummen waren, ires schreckens gantz vergessen hatten und yetzund mit andren rittern und edelleüten mancherley freüd und kurtzweil sůchten, doch under andrem irer allerliebsten junckfrawen nye vergessen theten. Sich eines tags begab, das sye mit einem alten ritter auff ein halbe tagreyß von Pariß auff einen seinen sitz ritten, ettlich tag mit beyßen, jagen und fischen ir zeit vertriben. Als sye nun eines tags sich fast uff dem gejäg geübt hatten, also das sye fast müd heym kamen, das nachtmal namen; demnach die speiß abzůdewen mit dem ritter in einem schönen garten spacieren giengen.

Der jung ritter Reinhart unter andrem lust, so in dem garten war, ein schöne roßenheld ersehen thet. Im sein allerliebste junckfraw zů gedancken kam; allein sich zů dem roßenheld füget, under andern schöne roten roßen eine mit seer bleycher farb erblicket. Dieselb an einem ort stund, da sye aller rauher lufft anwehet, darzů sye die sonn mit irer hitz den gantzen tag anscheinen mocht. Der ritter von diser roßen auß der maßen seer betrübt ward, anhůb zů gedencken: ›O du mein außerwölte Rosamunda, warlich dise roß gibt mir deiner gestalt ein gnůgsame anzeygung. O gott, wiewol ich weyß, das du nun zůmal mit manchem trübseligen wind angewehet würst, dieweil dir verborgen ist, wie mirs in Franckreich goht, so würst du auch on zweyffel täglich von dem künig angeschinnen, der dann ein ursach unsers scheydens gewesen ist. Dann ich weyß, so er dich anblicket, er dich allzeit unsers scheydens ermanet, dardurch dir on zweyffel dein schöne farb, die vor alle junckfrawen übertroffen hatt, erbleychen můß.‹

Mit solchen gedancken Reinhart den gantzen abent vertreiben thet, so lang das man zů bett gieng, in solchen gedancken entschlieff. Deßhalben im ein schwerer unnd harter[306] traum zůstund; ihn gedaucht, wie er sein allerliebste junckfraw in Philomena kammer seh, unnd die beyden junckfrawen von im unnd Gabriotto redten; in dem Gernier mit trawrigem angesicht zů in käm, in yeder hand ein große kettin trüg, mit weynenden augen zů den beyden junckfrawen sprach: ›O ir züchtigen und edlen junckfrawen, mir ist leydt, das ich diß mein ampt an euch vollbringen můß.‹ Damit ein scharpff schneydendt schwert nam, die beyden junckfrawen durch ire edlen hertzen stach, aber ihnen an ihrem leben nit schaden bracht, wiewol sye grossen schmertzen davon erlitten. Demnach Gernier, der alt ritter, die kettin nam, die beyden junckfrawen zůsamen an ein grosse seulen binden thet, mit einem malhenschlossz hart zůsamen verschloß, also sprach: ›Dises schlossz und bandt nyemandts macht hat auffzůlösen dann mein son Gabriotto und Reinhart sein gesell.‹ Damit aber diß dest sicherer verhüt würd, legt er die beyden hund, so sye verloren hatten, zů in, damit, so yemandts sye von solchen banden lößen wolt, das sye von den hunden abgetriben würden. Demnach Gernier mit weynenden augen von in gieng, die züchtigen junckfrawen also in leiden unnd schmertzen behafft bei den grausamen hunden sitzen ließ, die mit jämerlicher klag ir zeit vertriben, iren lieben rittern umb hilff zůschruwen. Reinhart aber daucht sich so weyt von in sein, das er sye keinerley weg trösten mocht, wiewol ers zům dickern mal versůchet. Sich so fast in seinem schlaff übet, das er davon erwachet, den übrigen theyl der nacht mit seüfftzen unnd klagen zů end bracht.

Da nun der tag anbrach, Gabriotto auffstund; dann sein gewonheyt nit was lang zů schlaffen. Lang in der kammer hin und her gieng, das er Reinharten schlaffen meynt, in nit wecken wolt, wiewol er manchen schweren seüfftzen von im hören thet; aber alles im in dem schlaff geschehen meynet, so lang das sich Reinhart mit einem schweren unnd grossen seüfftzen auff ein seiten warff. Gabriotto des ein klein schrecken empfieng, zů seinem gsellen kam, also sprach: ›Was ist das, Reinhart? Was bedeüten die schweren und grossen seüfftzen, so du von deinem hertzen gon laßt? Ich bin lang in der kammer umbgangen, hab dich gemeynt noch mit dem schlaff beladen[307] sein, so lang biß ich das schwer seüfftzen von dir vernummen hab. Stand auff unnd laß uns kurtzweil in den grünen feldern sůchen! Villeicht würt dir dein schwermütigkeyt benummen.‹

Reinhart sprach: ›O mein Gabriotto, mein schwermütigkeyt mir mit keiner kurtzweill benummen werden mag. Ich glaub auch, wo ich dir mein anligen entdecke, du werdest sampt mir in grossem trawren ettlich zeit vertriben.‹ Gabriotto von im die ursach seines trawrens begert zů wissen. Des ihm Reinhart nit versagen wolt, die ursach seines traums im zů wissen thet, auch was im des andren tags mit der roßen begegnet wer.

Als nun Gabriotto von seinem gsellen aller sach bericht ward, in ihm selb gedacht: ›Fürwar die ursach meins gesellen trawren nit umbsunst ist. Ich glaub auch on zweiffel, diser traum nit on ursach beschehen sei.‹ Yedoch er ihm ein hertz fasset, zů seinem gsellen sprach: ›Nit also, mein Reinhart! Der sachen würt noch gůter raht funden. Stand auff, so wend wir raht sůchen, damit wir in kurtzer zeit erfaren, wie es umb unser allerliebsten junckfrawen stand, die ich on zweiffel hoff noch frisch und gesundt sein.‹

Also ließ sich Reinhart von seines gesellen worten ettwas trösten, auffstund. Mit einander giengen an ein heimlich ort; ein yeder seiner allerliebsten junckfrawen einen brieff schreyb auff gantz weiß. Gabriotto auff den seinen ein schöne vergulte kron machen ließ, Reinhart auff den seinen ein roßen, wie sye dann solchs mit Gernier dem alten ritter verlassen hatten. In disen brieff schriben sie allen unfall, so in auff dem mör begegnet was. Sye schriben auch iren junckfrawen, das sie in irem abwesen sich gegen menglich frölich solten beweisen, damit sye nyemandts ursach geben, sie zů verargwonen irs abwesens halb; baten sie auch hiemit, iren nit zů vergessen. Als sie nun nach irem willen ein schiff fanden, so in Engelandt faren wolt, sie einem getrewen kauffman die brieff überantworten mit ettlichen schönen kleinoten, so sye iren liebsten junckfrawen auß Franckreich zů einem krom sckickten; dem kauffmann befahlen, die ding dem ritter Gernier treuwlich zů überantworten. Das alles in kurtzer zeit nach[308] irem begeren vollbracht ward, wie ihr hernach hören werdt.

Als nun Reinhart und Gabriotto wider zů irem alten ritter auff sein geseß geritten waren, wider ir zeit mit mancherley kurtzweil zů vertreiben, Reinhart wider sein altes wesen anfieng. So er sich von Gabriotto verstelen mocht, an das ort kam, da die roßen stunden; acht nam, wann sich doch die farb an der bleychen roßen ändren wolt; dann er endtlich meynet, sie im sein allerliebste junckfraw bedeütet. Zůletst aber, als er sie fand gar verrisen und den butzen on bletter ston, nam er im erst ein newe fantasei für, gieng ein klein davon, setzt sich under einer linden an ein schattigs ort, fieng da an sein allerliebste junckfraw als eine, die yetzundt dem todt ergeben wer, zů klagen. Nam im auch endtlich für, da dannen nit zů kummen, sunder von seiner allerliebsten junckfrawen willen zů sterben; das dann auch beschehen wer, wo Gabriotto und der alt ritter in nit davon abgewendt hetten.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 305-309.
Lizenz:
Kategorien: