62.
Wie des ritters knecht wider in Engelandt schiffet und seines herren hertz mit im in einem ledlin verschlossen füret, und als er zů undrest in dem schiff lag, seinen herren klaget, im das hertz gestolen ward, wie ir vernemmen werdt.

[349] Als nun des abgestorbnen ritters knecht mit grossem leyd auff dem mör allen tag zům wenigsten seinen herren ein stund klagen thet, sich eines tags begab, das er sein ledlin ab dem gürtel gethon unnd das an seiner gemeynen legerstatt ligen hatt lassen, aber zů undrest in dem schiff sein klag füret – begab sich, das ein portugalesischer bůb, eines kauffherren son, welcher seinem vatter ein grossen theil seins gůts verthon hat, derselb lotter in sunder wargenummen hat, das des ritters knecht das ledlin also wol verwaret. Darumb er meynt, er wer ein zollerier und fůrt köstlich steyn, so er dem künig gon Engelandt bringen wolt. Deshalb er fleißig acht nam, wo der knecht das ledlin hat ligen lassen, sich heymlich dahin schmeychet, das ledlin nam, zůruck des schiffs in ein finstern winckel verstossen thet, da sein nyemandts warnemmen mocht. Sein rechnung machet, das ers bei nacht auffbrechen wolt, die kleinot, so darinn weren, heraußzů nemmen und heymlich in seine kleyder vernegen, demnach das ledlin in das mör zů werffen.

Als nun der knecht seiner klag ein end geben hatt, wider heruff kam, allererst gewar ward, das im die lad an seinem girtel manglet, grossen schrecken empfieng, allenthalb hinder im unnd vor im sůchen thett, aber nichts fand. ›O gott‹, sprach der knecht, ›der ellenden stund, so ich erlebt hab! O du mein frummer und allerliebster herr, nun wie mag ich dir deinen letsten willen erfillen, dieweil mir das, so du mir in allen trewen hast empfohlen, gantz entwert ist! Ach, das mir nit all mein hab dafür genummen ward!‹

Der knecht mit solchem jämerlichen schreien und klagen sich also übel gehůb, das alle die, so mit im zů schiff waren, groß mitleiden mit im hatten. Der patron sie allsamen[350] zů dem höchsten ermanet, ihm das sein wider zůzůstellen. Aber nyemandts daran schuld tragen wolt, wiewol yederman auff den schalckhafften bůben zweiffelt. Der sich aber mit ersten zů dem betrübten knecht füget, im allenthalb sůchen halff, sich erzeyget, als wenn er groß mitleiden mit im hett.

Als nun der knecht sich des ledlins mit dem hertzen gantz verwegen hatt, der obgemeldt naß knab sich zů im satzt, im mit listigen worten außerfaren thet, was doch in dem ledlin verborgen wer. Des ihm der knecht nit verhalten wolt, sunder im alle ding zů wissen thet. Als nun der schalck vermarckt, das nichts anders in dem ledlin was dann einn hertz, so balsamiert wer, gedacht er: ›Was ist mir das hertz nütz, unnd das ich den gůten jüngling umbsunst bekümmern soll! Ich wills im heymlich wider an das ort legen, da ichs genummen hab.‹

Als nun die nacht kummen was und yetz yederman zů rhů sich gelegt hatt, der knecht die gantz nacht ungeschlaffen vertrib, der dieb, so ihm das ledlin gestolen hat, heymlich hinzůschleych, nit anderst meynt, dann er schlieff, und legt im das ledlin zů seinem haupten. Der arm knecht seer erschrack; dann er meynt, er wolt in seines gelts auch berauben; zůhandt auffwuscht, in bei einem arm fasset, so lang hůb, biß ihm die andern zůlieffen; dann er mit seinem schreyen alle, so zů schiff waren, erwecket.

Als nun der patron mit andren kauffleüten hinzůgelauffen kam und den schandtlichen bůben also fanden, bezwungen sie in, das er die warheyt bekennen můßt. Als nun der knecht sein verlornes hertz wider überkummen hat, frölich und gůter ding ward. Der patron mit raht aller andren kauffleüt den bůben in das schiff schmiden ließ, da er nachgohns an dem riemen ziehen můßt und darzů mit grossen streychen geplagt, so lang biß sie das engelisch port erreychten.

Yederman den patron abrichtet; vom schiff tratten, iren geschefften nachgiengen. Des ritters knecht sich nach seinem besten fleiß verstellet, damit er onangefochten an dem küniglichen hoff sein befelch außrichten möcht. Aber nit nach seinem willen zů end gieng, wie ir das nachgohns wol vernemmen werdt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 349-351.
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