47.
Wie Lasarus nach dem jar aus gehaiss seiner ältern gehn Venedig schiffet, und wie es im mit seinem wirt ergieng.

[248] Von disem argwon, so Franciscus auff den gůten jüngling Lasarum gehabt, da was im gar nichts umb zů wissen. Dann er sich alles gůten gegen seinem herren und allem haußgesind versehen thet; er vermeint auch, man solt im anderst nit vertrawen, dann wie er gesinnet were. Franciscus aber, damit dem jüngling die ding nit fürkemen, bath den Ferdinandum gar fleissiglichen, er wolt dem Lasaro gar nichts darvon sagen, damit er im keinen unmůt daraus neme; des dann Ferdinandus gar vorhin gesinnet was. Also hatt Lasarus vor als naher seinen fleiß gebraucht die zeit aus, biss etlich monat verschinen.

In denen dingen hatt im Reichhardus und sein vatter ein botschafft bey einem Venetianer zůgeschriben, ihm auch viel kostlicher stain zůgeschickt, die er mit im gehn Venedig solt[248] füren und verhandlen; darzwischen und er zů Venedig wer, wolten sie in Portugal versehen, das alle ding zů der hochzeit recht und wol verordnet würd, dann es stünden sunst alle sachen gar wol. Das aber war nit; dann Amelia was mit einem harten und sorglichen feber umbgeben, und sorgten die beiden älteren, wann der jüngling zů land kummen solt, in möcht vor unmůt gleichergestalt ein kranckheit überfallen.

Als nůn dem jüngling die bottschafft angesagt und er die auch selb gelesen, wiewol er fast gern haim in Portugal gefaren wer, noch kitzlet in der fürwitz, das er Venedig und ir monier gern gesehen; so was ihm auch gar nit verborgen, das er täglich von Venedig wider auff Lissabona schiffen möcht. Darumb undernam er sich der schiffart mit freuden. Er macht sein rechnung mit seinem herren, zalt in tugentlich und früntlichen ab, letzet sich auch mit allem haußgesind. Demnach gnadet er seinem herren und frawen, bedancket sich alles gůten, so im, der zeit bei in gewesen, widerfaren. Also gab im sein herr das gelait biss zů dem schiff, deßgleichen Ferdinandus.

Also fůrend sie mit gůtem wetter darvon, und in gar kurtzer zeit erreichten sie das port zů Venedig. Lasarus fragt den kauffman, so mit im von Antdorff ausgefaren was, wo er gůt herberg haben möcht. Der kauffman hett gern gesehen, das er mit im zů haus gangen und herberg bey im gehabt het; das aber Lasarus gar nicht thůn wolt. Also wise er in zů einem wirt, den hett alle welt für ein frumen und weidlichen man; er het auch gar vil gastung von allen landsarten; das macht, er kundt gar mancherley sprachen; von wannen der mann kam, kundt er mit im reden. Lasarus kart bey demselbigen wirt yn; der hett einen einigen sůn und ein tochter. Dieselb was gar gerad und schön von leib und gestalt, aber darneben eines unverschampten ungeberdigen wandels, welches einer junckfrawen sehr übel anstoth, ir auch alle zier und schonhait irs leibs hinnimpt.

Lasarus sobald er in die herberg kam, gab er dem wirt sein felles und bulgen zů verwaren, sagt im auch darneben, er solt im gůt sorg darzů haben; dann er hett darinn, so im fast lieb wer, wie er dann mit der zeit selb sehen würd. Der wirt was gar geflissen in der sach; dann er gedacht: ›Diser[249] jüngling wirt gewißlich etlich tag herberg bey dir nemen.‹ Da nůn Lasarus etlich zeit zů Venedig gewont und auch zům theil kuntschafft gemacht, kamen täglich kaufleut zů im, so mit edlen gestainen umbgiengen, die gabend im ein gar gross gelt zů lösen. Des nam der wirt ye lenger ye mer war, gedacht heimlich bey im selb: ›Möchtest du dein tochter dem jüngling anhencken, wie möchtest du sie immer bass versorgen!‹ Dise seine gedancken offenbart er seinem weib; die lies ir auch des mans meinung nit übel gefallen, wann es also zůgehn und geschehen möcht. Also wurden sie zů rhat, mit der tochter zů reden, das sie sich früntlich zů dem jüngling thůn solt, ob sie sein lieb und gunst erlangen möcht. Die tochter, so zůvor frevel unnd můtwillig was, hůb sich an ye fester zů dem jüngling zů gesellen, thet sich im auch zůletst gar fail. Lasarus liess also gůter meinung hingon, achtet ir nit sehr vil; jedoch was er gůter schimpfiger wort mit ir, vermeint aber nit, das die sach sich dahin erstrecken solt, darauff dann vatter und můter, brůder und schwester sie gespielt hetten.

Nůn es begab sich, das der vatter und můter die tochter zů red satzten, ob sie der hoffnung were etwas bey Lasaro zů erlangen. Die tochter sagt ja, sie spürt einen gůten willen an im. Damit verursachet sie vatter und můter, das sie mit dem jüngling retten von wegen irer tochter, sagten im zů ein gros zůsteur zů geben. Lasarus sich ab diser red nicht wenig verwundret, yedoch gedacht er in im selbs: ›Dir will dannocht gebüren, deinem wirt umb sein ehrlichs erbieten fleissigen danck zů sagen‹.

Und als nůn der wirt und sein weib ir red geendet, fing Lasarus gar züchtiglichen an zů antworten und sagt: ›Lieber herr und getrewer würt, deren früntschafft und gůtthat, so mir täglichen von euch widerfart, dergleichen auch von den eweren, kan ich mich sicher nit gnůgsam bedancken, ich geschweig des, das ir mich so gůt achten, das ir mir auch ewer einige tochter zům weib geben wolten. Ich sag euch, wo ich mein selb gewaltig were, wolt ich ein sollich erbieten nit gern abschlagen, sunder das mit grossem danck annemen. Ir aber solt wissen, das ich meinen vatter und můter noch beidesamen[250] inn leib und leben hab, on deren vorwissen mir das nit zů thůn gebüren würd, ob ich gleichwol sunst nit verbunden were, wie ich dann bin. Dann als ich aus Portugal geschifft binn, hatt man mich kurtz darvor einer schönen züchtigen junckfrawen vertrewet. Vor deren absterben, das gott lang wenden wöl, würt mir kein andre mein hertz besitzen, vil weniger mich einer andren vermäheln lassen. Darumb, lieber herr wirt, wölt ewer tochter nach ehren versorgen, wo es euch am gefelligsten ist; dann mit mir ist es gar umbsunst‹.

Mit disen worten macht Lasarus dem wirt sein hertz so gar erbittert, das im das aus grossem zorn in seinem leib uffhupffet, wiewol er sich gegen Lasaro gar nicht mercken lies. Nit weniger was můter, tochter und brůder über in ergrimbt. Es bekümert sie aber nichts mehr, dann das sie im die tochter selb angebotten hetten. Der vatter aber für sich selb heimlichen nachgedenckens het, durch welchen weg er den jüngling hinrichten und umb sein leben bringen möchte, damit im dannocht sein gůt belib. Aber die sach gieng im widersins aus.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 248-251.
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