49.
Wie Lasarus mit sampt dem kauffman in das wirtshaus kumen, mit dem wirt zů rechnen begertend; wie der wirt ab irer zůkunfft gar übel erschrack.

[254] Der wirt, so die nacht seinem fürnemen fleissig nachgesunnen und gar wenig geschlaffen het, lag des morgens über seinen brauch in dem beth. Lasarus sampt dem kauffman kamen mit noch zweien gůten herren der mainung, mit dem wirt abzůrechnen und in zů bezalen. Der wirt aber, wie oben gehört, noch nit auffgestanden was. Die wirtin befalh der[254] magt, sie solt im sagen, es werend fremde herren da, so sein begerten, ihn auch eylends haben müsten.

Bald stůnd er uff, zoh sein gewand an und kam zů in in den saal und erblicket den Lasarum vor den andren allen, ob welchem anblick er dermassen einen schrecken empfieng, das er nider zůr erden sanck und im hart geschwinden thet. Davon sie alle gar übel erschracken. Der wirtin die ding wurden angezeigt; die kam auffs geschwindest gelauffen, erschrack auch gar hart ab disem zůfal. Alsbald wurden kostliche und krefftige wasser darbracht, damit ward der bößwicht wider erquicket. Er was nit recht zů im selb kumen, schrie er mit einem lauten gall: ›O wehe und ach meines einigen und allerliebsten sůns! Weh mir armen verlaßnen man!‹

Bald die wirtin ein solche klag von dem wirt erhort, gedacht sie an die wort, so sie den vorigen tag von im gehört hett. Sie lieff eilends in ires sůns kammern; da fand sie alle seine kleider, so er angetragen des anderen tags; es was auch sein bethstat mit schwaiss übergossen. Da ward erst ein jämerlichs und grausames mordtgeschrey erhört. Die fraw aus grossem unmůt und zorn kundt ir gar nit abbrechen; sie kam in den saal lauffen, und mit grossem geschrey sagt sie: ›O du mörder, du bößwicht, du hast dein eigen blůt unnd fleisch umbbracht. Sag, wo hastu mir meinen liebsten sůn hingeworffen? Sein gewand und blůt hab ich funden, aber seinen leib hab ich niergend gesehen. O Lasare‹, sagt sie, ›diss solt dir begegnet sein. Ich aber hab im den mordt deinenthalben widerrhaten, bin auch gůter hoffnung gewesen, er solte meinem gůten und getrewen rhat volgen. Aber leider mein sůn hat die schnůr darob nemen müssen.‹

Von disen worten sind alle die, so zůgegen gewesen, grausam und hart erschrocken. Der wirt aber, als er yetzund an gott und an im selb verzweiflet gewesen, ist geschwind an das ort gelauffen, da er sein sůn ins meer geworfen, hat sich selb hineingesprengt, ist also jämerlich versuncken und ertruncken. In kurtzen tagen darnach hat Lasarus seine sachen dahin gericht, das er sein barschafft und anders, so er bei der wirtin hett, zůwegen bracht, bezalt sie auch gantz tugentlichen ab und trachtet im eilends nach einem schiff, so in in Portugal[255] füret. Dann zů Venedig zů bleiben war gar seines sins nit mehr, dieweil im die sach so nahend mißraten were.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 254-256.
Lizenz:
Kategorien: