10.

Von einem beyerischen bauren, der neün tag ein lässer was.

[16] Es begab sich, daß ein reicher kauffmann seiner handtierung nach durch das Beyerland reit; und wie er ungeferd einen gatter antraff bey eines bauren hauß, dardurch[16] er reiten můßt, den kundt er nit aufthůn, rüfft dem bauren zů, er sol im den gatter aufthůn. Der baur schruw mit heller stimm: ›Es ist niemant in dem hauß; das gesind ist auff dem veld, und ich ligen hinder einem umbhang, bin ein lässer.‹ Spricht der kauffmann: ›Wie lang bist ein lässer geweßt?‹ Antwort der baur: ›Morn ist der neündt tag.‹ Also thůt der kauffmann mit übelzeiten den gatter zeletst selb auf und spricht zum bauren: ›Sehin, da auff dem gatter ligt ein taler, und thů der lässy gnůg!‹ Hat aber nichts dar gelegt unnd reit hinweg. Wie das der baur erhort, geschwind zum hauß auß und wolt den taler holen, fand aber keinen. Also ward der baur vom kauffmann auß dem hauß genärrt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 16-17.
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