18.

Von einem armen edelmann, der gelt entlenet hett.

[24] Ein armer edelmann hat von einer gmeind in einem dorff etlich gelt entlehnet und sich verbriefft, auch aller schirm und freyheit verzigen; wo er die zinß nit zů iren zilen erleget, solt man macht haben, auff in zů leisten oder in gefencklich anzůnemmen. Nun ließ er etlich zinß zůsamenkommen, und was im die bauren emboten, so gab er nichts darumb, also daß sy zůletst auff in leisten liessen. Aber im lag nichts daran; dann wenn sy schon lang leisteten, můßten sy den kosten selbs zalen. Sy konten im nit vil nemmen, dann er hat nichts, also daß sy entlich zů Rotweil erlangten, wo sy in ergreiffen möchten und er sy nit von stund an augenblicklich zalte, daß sy in in gefengknuß legen möchten. Also fertigten sy ein botten ab, der in sůchen solt, so lang biß er in funde, unnd kein lenger zil solt geben, sunder von stund an gelt oder in gefengknuß legen.[24]

Der bott ergreifft den edelmann in einem dorff under eim scherer sitzende, unnd ließ im den bart scheren. Und der bott mit ungestüme fůr in an, wolt das gelt von im haben. Der edelmann sprach: ›Thů gemach, ich will dich zalen.‹ Der bott antwortet: ›Ich hab den befelch, euch nit von hand zů lassen, sunder von stund an das gelt von euch zů empfahen.‹ Der edelmann sprach: ›Magst du warten, biß ich den bart vollen abschir?‹ Der bott antwortet: ›Das wil ich thůn.‹ Do sagt der edelmann zum scherer: ›Hör auf scheren!‹ und ließ also den halben bart stan. Do sprach der bott: ›Juncker, wölt ir nit volls abscheren?‹ Der edelmann sagt: ›Nein! Du hast mir zůgesagt zů warten, biß ich volls geschoren hab; darumb wart, so lang du wilt, wirst nit erwarten, daß ich den bart gar abschir; ich müßte dich sunst zalen.‹ Do sahe der bott, daß er betrogen war, lieff eylentz zů dem schultheiß und wolt den edelmann lassen gefengklich annemmen; in dem halff im der scherer darvon.

Also wart der bott noch, biß er den bart gar abschirt, und wirt den bauren nichts. Darumb ist es nit gůt, wenn die bauren den edelleüten leyhen: es ist das widerspil, die edelleüt sollen den bauren leyhen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 24-25.
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