35.

Von einem fackinen, der sich stalt, alt kundt er nicht reden, und darmit einer grossen straff entgienge.

[41] Zů Venedig ist der brauch, nach dem das nit pferd und[41] karren da seind, und fast alle ding auß eim hauß ins ander oder von eim platz zů dem andern getragen werden můß. Es hat aber viel und auff allen pletzen gůte arme gesellen, die man fackinen nent, das offt einer zwen teutsch zentner und mer tragen mag, und wirdt inen offt mancherley seltzam ding auffgeleget zů tragen. Also trug dieser gůt arm fackin auch ein haußrad, darunder dann etwas, ich weiß nit, ob es ein spissz, trifůß oder brunnhacken was; unnd wie ir brauch, nachdem dann die gassen seer eng sind, das sie schreihen: ›Warda, warda!‹ Das ist auff teutsch: Weichent, oder schonent ewer, oder wie die Schwaben sprechen: Aufsehen! Wie nun diser gůt fackin ser schwer geladen, schrey er zum offter mal und aneinander: ›Warda, warda,‹ was er schreien mocht.

Es was aber ein hochmietiger centelam, welcher vor hoffart meint, der fackin solt im weichen; unnd sie kamen so nach zůsamen, das der fackin dem edelmann in einem ermel mit vorgemeltem eisen behieng. Darumb der edelmann so seer erzürnet, das er von stundan den fackinen ließ in die preson legen; und als dann die edelleut grossen gewalt haben, vermeint er, im auff morgen ein stropacorda lassen zů geben.

Wie er in aber morgens vor dem official oder gericht verklaget, do war ein redener, den erbarmet der gůt arm fackin, unnd bat die herrn, man solt in dem armen gesellen lassen das wort thůn. Do es im zůgelassen ward, name er den fackinen auff ein ort und sagt zů im: ›Wann du für das gericht kumbst, so stell dich aller gestalt, als könstu nit reden, und laß bey leib kein wort auß dir bringen, so man dir schon trewet zů schlagen! Laß mich machen!‹

Der fackin thet, wie in der fürsprech hieß, und als er für die herrn kame, kunt man kein wort auß im bringen, sundern stalt sich, als ob er nit reden kundt oder ein narr were. Do sprach der fürsprech: ›Lieben herrn, was sol ich aus im machen? Er kan nicht reden noch mich berichten, was ich von seinetwegen reden sol.‹ Do das der edelmann erhört, sprach er mit zornigen worten: ›Hey, du schalck, kanstu jetzunt nit reden, und necht schrüwest in die gassen, als werestu unsinnig: warda, warda!‹ Do das die herrn horten, sprachen[42] sie: ›Hatt er also geschruwen, warumb seit ir nit auß dem weg gangen?‹ und spotteten des zentelomen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 41-43.
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