57.

Ein Franck hatt sich auß eim becher kranck getruncken.

[79] Ein frenckischer gůter stallbrůder was in eim solchen brauch kommen, das er meint, er müßt allen tag zům wein gan und sich vollsauffen; des kam er zůletst in ein grosse kranckheit, alles trosts und hoffnung zů leben sich gantz verwegen thet. Im ward von gůten freünden geraten, er solt nit so kleinmütig sein, solt doch mittel unnd radt bey dem artzet sůchen, er möcht nach diser kranckheit woll auffkommen. Der gůt gesell volgt disem radt, ließ im den artzet berüften; der kam eylents, den krancken zů besichtigen, damit er im radt inn seiner kranckheit thůn möcht.[79]

Als er im nun den harrn besehen und den puls begriffen hatt, da befand er an allen warzeychen, daß im solche kranckheyt vonn grossem trinken zůgestanden was. Der kranck begert zů wissen, wie im sein kranckheyt gefallen thet. Der artzet was ein seer güter schimpflicher mann, der sagt: ›Warlich, lieber son, ich kan nichts anders an dir befinden, dann das dich der becher gestochen hatt. Du můst dir mit glesern und bechern abbrechen, wann du wider deiner kranckheyt auffkommest.‹ – ›Ja, lieber herr,‹ sagt der kranck, ›ich bitt, wöllend vleiß mit mir ankeren, so will ich mich aller becher und gleser alle meine tag massen. Und wann ich schon zům wein und gůten gesellen gang, will ich mich auß einer fleschen vollsauffen.‹ Diser red lachten alle umbstender und auch der artzet, nam urlob und zoch seins weges wider zů hauß.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 79-80.
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