62.

Von der beürin unnd der süssen Martinsmilch.

[83] Ein reicher bauer saß inn einem dorff, der hat gar ein grossen brauch von knechten und mägten. Nun begab sich auff sant Martinsnacht, das er seinem haußgesind die Martinsganß gab, und hat ein seer gůt mal zůgericht von gesottens, gebratens, hünern, gensen und schweinenbraten. Darzů hat er die allerbesten und stercksten newen wein, so er ankummen mocht; daß gesind můßt allessamen voll sein unnd nur dapffer bausen. Zůletst als der tisch auffgehaben, bracht die beürin erst ein groß kar mit gůter süsser milch; darinn stigen sy mit den löfflen und hatten gar ein gůten schlam. Innsonderheyt die beürin thet nit anderst, dann wann ir die milch entlauffen wolt. Der bauer sagt: ›Gemach, mein liebe Greta! Dann dir die milch sunst wee thůn wirdt, wann du schlaffen gast.‹ Die beürin kart sich nicht an den bauren unnd aß nur dester fester.

Als aber nun die tröscher schlaffen gangen waren, hatt in der nacht den einen tröscher seer angefangen zů dürsten. Als aber er im bett gelegen und gar findtlich mit dem maul geschmatzt, hatt in sein gesell zůletst gefragt, was im angelegen were, hat er ihm seinen grossen durst angezeygt. ›Schweig,‹ sagt der ander, ›ich wil dir bald helffen; dann die milchkammer stadt noch offen. Ich will uns gan ein gůten hafen mit milch zůwegen bringen.‹ Nun waß die milchkammer zůnegst an der tröscherkammer unnd auff der ander seyten des bauren kammer; die stůnd auch noch offen. Als nun der ein tröscher in die milchkammer kummen was, gropet er so lang, biß er die milch fand; er tranck im recht genůg, nam darnach ein grosse milchkachlen voll, wolt die seinem gesellen bringen, darmit er seinen durst auch löschen möcht; und als er auß der milchkammer gieng, verfelet er des wegs. Dann als er meint, er gieng wider zů seinem gesellen, kam er inn des bauren kammer.[83]

Do lag die beürin mit blossem hinderen ungedeckt; der gůt tröscher meint, es wer sein gesell, der wer wider entschlaffen, hůb iren die milch für den arß. In dem ließ die beürin einen blast von ir gan; der tröscher sagt: ›Du narr, was blasest du an der kalten milch? Ich mein, du seyest noch voller wein seyd nechten.‹ Inn dem empfůr der beürin noch ein blästerling; do ward der tröscher erzürnet, erwüscht die milch, vermeint, die seinem gesellen in das angesicht zů schütten und schüt sy der beürin in den hindern. Davon erwachet die beürin und wußt nit, wie ir geschehen was; sy gehůb sich übel darvon; der baur auch aufferwachet, fragt sy, was ir geschehen wer. ›O we,‹ sagt die beürin, ›ich weiß es nit, ich lig gantz naß inn dem bett.‹ Der baur sprach: ›Sagt ich dirs nit nechten, als du der milch so vil essen thettest? Dir ist eben recht beschenen.‹

Der tröscher schlich auß der kammer, befand erst, das er so grob gefält, kam wider zů seinem gesellen. Der was gar zornig über in, sagt, wo er so lang außblibe; der durst möchte einem in so langer zeyt dreymalen vergangen sein. ›Lieber gsell,‹ sagt diser, ›du weißt nit, wie es mir gangen ist. Als ich mit der milch auß der kammeren gon wolt, kam mir die beürin entgegen, schalt mich ein dieb und gieng mich vast übel auß, wiewol sy mich nit erkant. Damit sy mir aber nit nachvolget biß in unser kammer unnd mich erkant, nam ich die milch unnd schut, ir die in das angesicht. Also kumb ich on die milch.‹

Also bescheiß diser tröscher der beürin ir bet unnd beredt seinen gesellen auch, das er im glaubt, wie er im gesagt hatt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 83-84.
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