67.

Von einem pfaffen, der by nacht auff einem wasser seltzam obentheür erfaren hatt.

[89] Ein gůter, frummer, einfaltiger pfaff, so nie mit dem teüffel zů schůlen gangen waß, gieng auff ein zeit über fäld. Er was in seinen tagen nit vil gewandret, hatt wenig von weltlichem brauch erfaren. Das gůt herrlin kam in einen seer dicken wald, darinn überfiel in die nacht sogar gächlingen, das er nit wußt, woauß oder wohin er solt. Es umbgab in ein seer grosse angst; er gieng hin und wider in dem wald. Zůletst kam er zů einem grossen wasser; da ward er gewar, das leüt vorhanden waren. Erst lüff im die katz den rucken auff; dann er sorgt, es weren mörder, so ir auffenthaltung in dem wald hetten. Der gůt pfaff saumpt sich nicht lang, kroch zů allernechst am wasser in ein dicke hurst, sich vor den leüten, so er reden hort, zů verbergen. Der mon schein gar hell, das er weit auff das wasser sehen mocht; in dem sicht er vier fischer in zweyen weydschiffen daher schalten; die wurffen ire garn gleich an dem hammar in das wasser, da der pfaff in der hurst stackt. Als sy die garn wider ziehen wolten, was in ein grosser dorn in das garn kummen, darvon sy gantz unwirsch unnd ungedultig wurden; fiengen gar grawsam an zů schweren. Als das der pfaff hort, ward im gar angst, dann[89] er gedacht, gott wirt das gantz erdtrich von wegen solcher ungebürlichen schwür under lassen gan, wie es dann nit ein wunder wer. Nun als die fischer die dörn auß dem garn geledigt hetten, stigen sy in iren grossen wasserstifflen an das land, zogen ire brotseck harfür; und, wie ir brauch ist, fiengend sy dapffer an zů schlemmen. Stigen nach dem schlam wider inn ire schiff unnd fůren weiter nach irer narung. Diß alles hatt der gut pfaff gesehen und gehört, kundt oder wußt sich aber gar nichts darauß zů verrichten. Er erwartet deß tags mit grossen sorgen. Als der jetzund vorhanden was, kroch er auß der hurst, gieng so lang, biß er auß dem wald kam. Do sahe er erst, wo er daheimen waß.

Den nechsten sunnentag, als er seine predig vollendet und nach gemeinem brauch für alle stend, geistlich und weltlich, bitten ward, fieng er zůletst an und sagt: ›O liben fründt, helffend mir gott bitten für das volck in den grossen stifflen, so zů nacht auff dem wasser faren, das inn kein dorn ins garn kumm! Sunst fahen sy an zů schweren, es möcht der himmel herabfallen. Ich sag eüch, das es ein unnütz volck ist; was ander lüt deß tags ersparen, fressen sy zů nacht. Gott sey gedanckt, so mir von dem unnützen fressigen gesind geholffen hatt!‹

Dise fabel sey gleich ein gedicht oder ein geschieht, so ist es doch leider ein solcher böser brauch by den fischern entstanden (aber nit by allen), das ich glaub, man under allen hantierungen nit ein sollich ruchloß volck, find, so an irer bittern, sauren und sorglichen arbeit gott also lesteren, daß warlich nit ein wunder wer, gott strieff sy gleich an der stett. Der herr geb sein genad, damit semlich gotteslesterung by disem und anderm volck ein end nemme und sy darfür seinen heyligen nammen preyssen unnd eehren! Darzů helff uns gott der vatter, gott der sun unnd gott der heilig geist! Amen.


End deß Rollwagenbüchlins.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 89-90.
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