105.

Von dem narren im sack.

[131] Der churfürst zů Sachsen hett einen narren, der hieß Claus; der hatt auff ein zeyt etwas mißhandlet. Deßhalb die churfürstin zů im kam und sprach: ›O lieber Claus, du weist wol, was du gethon hast. Ich bsorg, es werd dir übel gehn; dann der fürst hat dir getröuwet, er wölle dich lassenn hencken, da helffe nichts darfür.‹ Der gůt Claus narr erschrack so übel, daß er schier in die hosen gehofiert. Das merckt nun die fürstin und gedacht: ›Die sach wirt sich recht schicken;‹ dann es ein angelegter handel unnd darumb angefangenn was. Deßhalben sagt die fürstin weyter: ›O lieber Claus, so du mir folgen wilt und thůn, was ich dich heissen wird, so wil ich dir darvon helffen.‹ Der narr was fro und verhieß ir, er wölte folgen. Do hett sy ein edelmann darzů bestellt, der hat sich verkleidet in baurenkleidern, daß in der narr nit erkannt, sondern vermeint, es wer ein baur. Die fürstin sagt zů dem bauren: ›Beürlin lieber lang dein sack här und laß mein Clausen dareyn schlieffen und bind den sack zů und trag in biß für das thor hinauß. Und wenn man dich fragt, was du tragest, so sag, es seye haber, den habest im schlossz gefasset!‹ Das beürlin nam sein sack, stieß Claus narren dareyn, band in zů, nam in auf sein achsel und zoch mit im darvon.

Wie er aber über die brugken zum schlossz hinauß wil, steht der churfürst sampt seinen edelleüten auff der brugken; der spricht den bauren an und fragt in, was er im sack trag.[131] Antwort das beürlin: ›Gnädigster herr, ich trag habern, den ich im schlossz gefasset hab.‹ Daran der fürst kein vernügen haben wolt und fraget in zum anderen mal und sprach: ›Du beürlin, sag mir die recht warheit! Was tregst im sack, das so schwär ist?‹ Das beürlin sprach wie vor: ›Es ist habern,‹ welches der churfürst gar nicht glauben wolt. Do fieng Claus narr zum churfürsten an unnd schrey im sack: ›Du narr, er tregt habern. Gehörst du nichts? Habern tregt er. Verstehst du nit mer teütsch? Habern, habern!‹ Deß lachet der churfürst und seine edelleüt, giengen darvon und liessen den narren im sack stecken.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 131-132.
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