70.

Von einem geschwinden jungen gsellen, der einen löffel mit silber beschlagen in bůsen stieß, damit er einen gestolnen löffel herfürbracht.

[92] In einem gůten mal waren versamlet ettlich seltzam knaben,[92] die den wirdt tapffer hiessen auftragen unnd zechten redlich. Nun in aller zech einer under inen stoßt einen löffel mit silber beschlagen heimlicher weiß in bůsen, damit er der zech halben nit zů theür käme. Welches einer under inen ersehen, stoßt auch einen in bůsen. Als man nun schier gessen hat und der wirdtsknecht die löffel aufhůb, bracht ers dem wirdt. Welcher spricht: ›Es manglen zwen löffel,‹ und gadt damit in die stuben.

So der nachgender, der auch ein löffel in busen gehalten hat, den wirdt erblickt, gedenckt er: ›Er wirt die löffel forderen;‹ und zeucht den seinen herfür blößlich, das man den silberen stil kundt sehen. Als der wirdt bey dem den löffel ersicht, gadt er herzů und reißt in herfür, spricht: ›Find ich dich da!‹ Der den löffel hat gehept, antwortet: ›Ists einem anderen recht, so ists mir auch recht!‹ unnd zeigt damit auff den, der von ersten stelens halben einen in bůsen hat geschoben. Und werden also dem wirdt die löffel wider, unnd bleibt auch der, der den löffel von ersten verschoben hat, ungeschmecht.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 92-93.
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