[11] Hortensio, Petruchio, Grumio.
PETRUCHIO den auf ihn zutaumelnden Hortensio wegschleudernd.
Verwünschter Esel! Tritt auf deine Füße!
Sonst schlag ich deinen Schädel dir entzwei!
HORTENSIO.
Das ist Petruchio! Seine feinen Grüße
Kennt man von Mailand bis in die Türkei!
PETRUCHIO Hortensio die Hand schüttelnd.
Bist du's, Hortensio? Ei, das nimmt mich wunder;
Siehst immer jung noch aus,
Es freut mich sehr, dich hier zu treffen!
GRUMIO sein Reisebündel abwerfend.
Nieder mit dem Plunder!
HORTENSIO.
Doch sage mir, wo kommst du denn nur her?
PETRUCHIO.
Das frag du einen von den Sausewinden,
Die mich umbraust auf offnem Meer!
HORTENSIO.
Noch immer lebst du, scheint's, unstet und flüchtig?
GRUMIO.
Gott weiß es, nirgends macht er Ruh noch Rast.
PETRUCHIO.
Und doch dünkt alles mich so hohl und nichtig;
Das Leben selbst, es war mir schon zur Last![11]
HORTENSIO.
Du bist doch reich?
PETRUCHIO.
Langweilig reich zum Ekel!
Was tu ich nur mit all dem vielen Gold?
Nichts widerstrebet dem gefüllten Seckel,
Die ganze Welt, ach!
Steht in meinem Sold.
HORTENSIO.
Sind auch die Weiber alle dir so günstig?
Die bringen Kurzweil sonst ins irdsche Land.
PETRUCHIO.
Wie wollt ich lieben so inbrünstig die eine,
Die mir böte Widerstand!
HORTENSIO.
Fehlt dir nur dies, ich wüßte dir zu nennen,
Ein Mädchen kalt und hart wie Marmorstein.
PETRUCHIO.
Lebt solch ein Mädchen, Lehre sie mich kennen,
Die allen unbesiegbar, sie sei mein!
Mit steigender Wärme.
Das könnte mit dem Leben mich versöhnen,
Das einzig diese feile Welt verschönen,
Fänd ich ein Weib, das ebenbürtig mir
An trotz'ger Kraft.
HORTENSIO.
Gewiß! Sie gleichet dir, doch ist sie zänkisch.
PETRUCHIO.
Ei! Nur um so besser.
HORTENSIO.
Ist widerspänstig.
PETRUCHIO.
Gut! Ich zähme sie.
HORTENSIO.
Hat eine Zunge, schneidend wie ein Messer.
PETRUCHIO.
Wann seh ich sie? O sag mir wo und wie?
HORTENSIO.
Kennst du allhier Baptista Minola?
PETRUCHIO.
Es ist mir so, gewiß!
Ich kannt ihn vor vielen Jahren,
Hier in Padua besucht ich einst sein Haus,
Und in den Sinn kommt plötzlich mir
Ein keckes kleines Mädchen, mit dunklen Augen,
Katharine genannt.
HORTENSIO.
Das ist sie!
PETRUCHIO.
Hei! Wie sie sich mir entwand
In keckem Trotz, als ich sie küssen wollte!
HORTENSIO.
Dir ging's, wie's manchem seither gehen sollte,
Noch alle Freier jagte sie von hinnen.
PETRUCHIO.
Mich kümmert's nicht, schürt nur der Sehnsucht Brand,
Sie zu besiegen und mir zu gewinnen.
Mit steigender Ekstase.
Sie ist ein Weib für solchen Mann geschaffen,
Wie ich zu sein mich rühmen kann.
Geschwungen hab ich alle Waffen
Die jemals Kriegskunst ersann;
Hab oft dem Tod ins Angesicht geschaut,
Drum taugt kein sanftes Täubchen mir zur Braut.
Mir schauchte der Löwen dumpfes Grollen,
Ihr Wutgebrüll den Schlummer nicht;
Der Feuerschlünde Donnerrollen
War meine Lust, ihr Blitz mein Licht![12]
Mit Türken kämpft ich und mit Christen
Um nichts, aus reiner Lust am Kampf.
Wär ich ein Adler wollt ich nisten
In der Vulkane Lavadampf.
Freudigen Muts zu kämpfen und zu siegen,
Wie göttlich, welch ein Hochgenuß!
Und strauchelt endlich doch der Fuß
Ja wenn man unterliegen muß,
Ist besser brechen, als sich biegen,
Und strauchelt endlich doch der Fuß
Ja öffne sich der Tartarus,
Ist's besser brechen, als sich biegen.
Wo wohnt sie denn?
HORTENSIO.
Wir stehn vor ihrem Hause,
Dort jene Fenster hüten ihren Schlummer.
PETRUCHIO.
Schlaf sanft! Nur eine kurze kleine Pause,
Und deiner wartet Kampf, und schwerer Kummer.
Ich liebe dich, doch darf ich dich nicht schonen,
Gebändigt mußt du werden, sanft wie Zephirwind,
Sehr sanft.
Doch heute Nacht mag noch der Friede wohnen
An deiner Brust, schlaf wohl du wildes Kind!
Ja, heute Nacht mag noch der Friede wohnen in deiner Brust,
Schlaf wohl geliebtes Kind, geliebtes Kind!
HORTENSIO UND GRUMIO.
Mit dem Sermon, kannst du uns jetzt verschonen;
Komm erst nach Haus und dann ins Bett geschwind
Hortensio und Grumio nehmen Petruchio von beiden Seiten unter den Arm und ziehen ihn fort. Da
sie abgegangen sind, steckt Baptista in der Schlafmütze den Kopf aus einem Fenster.
BAPTISTA.
Mir ward, als hätt' ich wieder was gehört!
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro