Vierte Szene

[25] Petruchio und Grumio, beide auffallend nachlässig gekleidet, in zerrissenen und geflickten Röcken, Reitstiefel von verschiedener Größe und Farbe, mit langen Schleppsäbeln usw., treten stürmisch auf. Die Vorigen.


PETRUCHIO lärmend.

Ha, ha! Da sind wir! Ja! Wir sind geritten.

Ha, ha, ha, da sind wir nun, und werden köstlich jetzt

Inmitten so lustger Leut, so vieler lustger Leut

Gütlich tun.

KATHARINE mit wankenden Knien sich an Baptista lehnend, während die andern noch wie versteinert stehn.

Das ist zu viel!

PETRUCHIO.

Mein liebes Käthchen! Ei! Wie geht's dir? Gut?

Du schaust recht munter, Bäcklein rot wie Blut!

Sagt aber, Leute, was habt ihr zu gaffen,

Als wär ein seltsam Abenteuer zu sehn?

Hier sind nicht Elefanten noch Giraffen.

Warum bleibt ihr mit offnem Maul denn stehn?

BAPTISTA zuerst zitternd und verlegen.

Ei nun! Ihr wißt! Heut ist eur Hochzeitstag.

Erst sorgten wir, ihr möchtet gar nicht kommen.

Nun kommt ihr, aber wie?

PETRUCHIO.

Auf beiden Füßen.

BAPTISTA auf einmal heftig.

Wie ein Dragoner!

LUCENTIO.

Wie ein Bärenführer!

HORTENSIO.

Wie ein zerlumpter Räuber!

BIANCA.

Wie ein Hausnarr!

PETRUCHIO zu Katharine.

Sie schimpfen alle. Du allein bist sanft.[25]

KATHARINE mit unterdrückter Wut.

Weil mich die Scham, der Aerger sprachlos machen.

PETRUCHIO.

Ha, ha! Das alles ist ja nur zum Lachen.

Was fragt ein Mann von etwas Geist, wie ich,

Nach törichten Toilettensachen?

Du liebst ja meinen Rock nicht, sondern mich,

Und du bist schön, ich muß ans Herz dich drücken.

KATHARINE.

Ich bitt euch, laßt mich!

PETRUCHIO.

Meine süße Frau! Weshalb auch hätt ich mich zu schmücken?

Du bist ja schöngeschmückt als wie ein Pfau.

BIANCA.

Ist sie geschmückt, so ist's nicht eure Schuld.

Wo ist das Brautkleid, welches ihr versprochen?

PETRUCHIO zu Katharine.

Mein lieber Engel, habe nur Geduld!

Es kommt ja wohl in einigen Wochen.

BIANCA.

Ist heut nicht Hochzeit?

PETRUCHIO.

Freilich, da ihr's wollt! Auf, auf in die Kirche!

LUCENTIO.

Wie in diesem Aufzug?

PETRUCHIO.

Warum denn nicht? Warum denn nicht?

Wenn ihr andächtig seid,

So schaut ihr, denk ich, nicht aufs Kleid.

Stellt euch zum Zug! Heda! Musik!


Musikanten kommen auf Petruchios Ruf, beginnen aber noch nicht so gleich.


Los jetzt! Los jetzt! Ein recht fideles Stück!

KATHARINE.

Nur einen Augenblick, um mich zu fassen!

BIANCA.

Solch eine Hochzeit hab ich nie gesehn.

LUCENTIO.

Ich glaube, daß sie füreinander passen.

PETRUCHIO.

Macht schnell! Wir wollen in die Kirche gehn!

BAPTISTA.

Ja, kommt! Und zum erwünschten frohen Ende

Verhelf uns Gott, ich wasche meine Hände.


Petruchio nimmt Katharine am Arm. Lucentio ergreift Biancas Hand; Baptista, Hortensio und die Musikanten beschließen den Zug. Alle ab.


Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 25-26.
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