Sechste Scene.

[234] Northumberland. Die vorigen.


NORTHUMBERLAND.

Die Fürsten Albions

Erwarten sehnlich ihre Königin!

Hat Grossmuth endlich über ihre Zweifel

Den Sieg erhalten?

SUFFOLK.

Ja! Sie hat gesiegt.

Sie gab uns noch die Probe des Gehorsams,

Die sie uns schuldig war!

NORTHUMBERLAND.

Hinfür gebührt es uns

In deinen Winken unsre Pflicht zu lesen.

Heil dir, Prinzessin, Heil dir, Enkelin

Von alten Königen, du schönste Blume.

Von Yorks und Lankasters vereintem Stamme!

Durch deren Eifer, unter deren Schutze

Die göttliche Religion der Christen

Ihr leuchtend Angesicht, von ihren Flecken

Gereinigt, siegreich über alle Länder

Erheben soll! Durch deren klugen Scepter[235]

Gesetz und Freyheit, Fleiss und Überfluss

Und Wonne, diese segensreiche Insel

Zur Königin der Erde krönen sollen.

Mein Knie beugt sich zuerst, dir ehrfurchtsvoll

Den Bund der unverletzten Treu zu weihen!

Heil, Ruhm, und Glück der Königin Johanna!

SUFFOLK. LADY SUFFOLK. GUILFORD.

Heil, Ruhm, und Glück der Königin Johanna!

NORTHUMBERLAND.

Gefällt es dir, Prinzessin, den Senat

Durch deine Gegenwart zu ehren,

Und von den Edelsten der Britten

Den Eid der Treue zu empfangen?

Dann soll das ganze Volk den theuren Nahmen hören,

Der unsern Enkel heilig bleiben wird!

JOHANNA.

Ich folge dir!


Sie bleibt allein.


Geheimnissvolles Schicksal!

Wie spielst du mit den Menschen! – Diese schnelle

Verwandlung – Doch ich schweige! Höre du,

Der du die Unschuld dieses Herzens kennest,[236]

Die heissen Seufzer meiner bangen Seele!

Häuft dieser schwarze Tag das Mäh des Unrechts

Auf Englands Haupt, ist dein gerechter Zorn

Noch nicht versöhnt, und warten neue Plagen,

Sich über dieses, unglücksel'ge Land

Zu stürzen? – Gott! So höre mein Gebet!

Verschone seiner! Lass auf mich allein

Die Strafe fallen! Mich allein, o Gott,

Für mein geliebtes Volk zum Opfer werden!


Geht ab.


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 4, Leipzig 1798, S. 234-237.
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