Fünfte Scene.

[257] Lady Johanna. Lady Suffolk.


LADY SUFFOLK.

Verwünscht sey mein fataler Rath! Verwünscht

Die Zunge, die zu deinem Untergang

So wortreich war! – Johanna! – Ach! mein Kind!

Mir bricht mein Herz –

LADY JOHANNA.

Geliebte theure Mutter –

LADY SUFFOLK.

O! nenne mich mit diesem süssen Nahmen,

Der einst mein Stolz war, nicht! Ich bins nicht würdig –[257]

LADY JOHANNA.

Nur diess, nur was ihr leidet ängstigt mich!

Wenn ihr nicht elend seyd, so bin ich ruhig.

O! quält mich nicht, die Vorwürf anzuhören,

Die ihr euch selber macht. Ihr wäret schuldlos!

Aus Mitleid gegen mich besänftigt euern Schmerz,

Der mir das Herz zerreisst –

LADY SUFFOLK.

O Himmel, fielen alle deine Blitze

Auf mich allein! – Könnt ich mit meinem Leben

Den holden, Liebling meines Herzens retten!

Dann, dann, Johanna, würde deine Mutter

Sich glücklich halten. –

LADY JOHANNA.

Mutter! mildre deine Zärtlichkeit;

Sie tödtet mich! So ist denn gar kein Weg

Zu unsrer Rettung übrig?

LADY SUFFOLK.

Keiner!

Ach! Keiner! Alles, alles ist verloren.

Ich sah Northumberland in Fesseln, hörte[258]

Des Volkes Hohngelächter, ihn so niedrig,

So klein zu sehn. Sie nannten ihn mit Flüchen

Verräther, Feind, des Vaterlandes, Mörder

Des ehrfurchtswerthen Vormunds unsers Edwards,

Des frommen Sommersets. – Indess hat Sussex schon

Mit seinen Kriegern sich der Stadt bemeistert.

Maria hat den alten Gardiner,

Den Wüthrich, der von außen ein Johannes,

Von innen wilder als Herodes ist,

Voraus geschickt; er führt das grosse Siegel

Des Reichs, und donnert allenthalben schon

Befehle, die nur Jammer profezeien.

LADY JOHANNA.

So fahret wohl, ihr goldnen Hoffnungen

Von Glück und Seligkeit auf dieser Erde!

Mein Vaterland, und du, du kleine Schar

Der Redlichen, der Lehrer und Bekenner

Des Evangeliums! – Euch wird der Himmel retten!

Ja, unsichtbare Macht, die du allgegenwärtig

Die Sfären lenkst, und alles siehst und ordnest;

Du sahst, was meinen tiefen Abscheu brach,

Den aufgedrungnen Scepter anzunehmen.[259]

Schau, jetzt, ich beuge dankvoll meine Knie,

Dass du dein Amt aus meinen schwachen Händen

Zurücke nimmst! Dein ists, die Menschen, die du schufst,

Die Kirche, die du pflanztest, zu erhalten! –

Du wirst es thun! – An mir geschah dein Wille!


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 4, Leipzig 1798, S. 257-260.
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