Fünftes Capitel

Moralischer Zustand unsers Helden

[811] Der Autor der alten Handschrift, aus welcher wir den größesten Teil dieser Geschichte gezogen zu haben gestehen, triumphiert, wie man gesehen hat, darüber, daß er seinen Helden mit[811] seiner ganzen Tugend von einem Hofe hinweggebracht habe. Es würde allerdings etwas sein, daß einem Wunder ganz nahe käme, wenn es sich würklich so verhielte; aber wir besorgen, daß er mehr gesagt habe, als er der Schärfe nach zu beweisen im Stande wäre. Wenn es nicht etwan moralische Amulete gibt, welche der ansteckenden Beschaffenheit der Hofluft auf eben die Art widerstehen, wie der Krötenstein dem Gift, so deucht uns ein wenig unbegreiflich, daß das Getümmel des beschäftigten Lebens, die schädlichen Dünste der Schmeichelei, welche ein Günstling, er wolle oder wolle nicht, unaufhörlich einsaugt – – die Notwendigkeit, von den Forderungen der Weisheit und Tugend immer etwas nachzulassen, um nicht alles zu verlieren – – und was noch schädlicher als dieses alles ist, die unzählichen Zerstreuungen, wodurch die Seele aus sich selbst herausgezogen wird, und über der Aufmerksamkeit auf eine Menge kleiner vorbeirauschender Gegenstände, die Aufmerksamkeit auf sich selbst verliert – – nicht einige nachteilige Einflüsse in den Character seines Geistes und Herzens gehabt haben sollten. Indessen müssen wir gestehen, daß es ihm hierin eben so erging, wie es, vermöge der täglichen Erfahrung, allen andern Sterblichen zu gehen pflegt. Er wurde diese eben so unmerkliche als unleugbare Einflüsse, und die Veränderungen, welche sie verstohlner Weise in seiner Seele verursacheten, eben so wenig gewahr, als ein gesunder Mensch die geheimen und schleichenden Zerrüttungen empfindet, welche die Unbeständigkeit der Witterung, die kleinen Unordnungen in der Lebensart, die heterogene Beschaffenheit der Nahrungr Leidenschaften, stündlich in seiner Maschine verursachen. Die Veränderungen, die in unsrer innerlichen Verfassung vorgehen, müssen beträchtlich sein, wenn sie in die Augen fallen sollen; und wir fangen gemeiniglich nicht eher an, sie deutlich wahrzunehmen, bis wir uns genötigt finden, zu stutzen, und uns selbst zu fragen, ob wir noch eben dieselbe Person seien, die wir waren? Aus diesem Grunde geschah es vermutlich, daß Agathon die Progressen, welche die schon zu Smyrna angefangene Revolution in seiner Seele während seinem Aufenthalt zu Syracus machte, ohne das mindeste Mißtrauen in sie zu setzen, ganz allein den neuen oder bestätigten[812] Erfahrungen zuschrieb, welche er in dieser ausgebreiteten Sphäre zu machen, so viele Gelegenheiten hatte.

Es ist unstreitig einer der größesten Vorteile, wo nicht der einzige, den ein denkender Mensch aus dem Leben in der großen Welt mit sich nimmt, wofern es ihm jemals so gut wird, sich wieder aus derselben herauswinden zu können – – daß er die Menschen darin kennen gelernt hat. Es läßt sich zwar gegen diese Art von Kenntnis der Menschen, aus guten Gründen eben so viel einwenden, als gegen diejenige, welche man aus der Geschichte, und den Schriften der Dichter, Sittenlehrer, Satyristen und Romanenmacher zieht – – oder gegen irgend eine andere: Aber man muß hingegen auch gestehen, daß sie wenigstens eben so zuverlässig ist, als irgend eine andre; ja daß sie es noch in einem höhern Grade ist, wenn anders das Subject, bei dem sie sich befindet, mit allen den Eigenschaften versehen ist, die zu einem Beobachter erfordert werden. Denn freilich kann nichts lächerlicher sein als ein Geck, der nachdem er zehn oder fünfzehn Jahre seine Figur durch alle Länder und Höfe der Welt herumgeführt, etliche Dutzend zweideutige Tugenden besiegt, und eben so viel schale Histörchen oder verdächtige Beiträge zur Chronique scandaleuse eines jeden Ortes, wo er gewesen ist, zusammengebracht hat, mit deren Hülfe er zween oder drei Tage eine Tischgesellschaft lachen oder gähnen machen kann – – sich selbst mit dem Besitz einer vollkommenen Kenntnis der Welt und der Menschen schmeichelt, und denjenigen mit dummem Hohnlächeln von der Seite ansieht, der vermöge einer vieljährigen tiefen Erforschung der menschlichen Natur, gelegenheitlich von Charactern und Sitten urteilt, ohne die sieben Türme gesehen, oder der Vermählung des Doge von Venedig mit dem adriatischen Meer beigewohnt zu haben. Wir wissen nicht, wie groß ungefähr die Anzahl der so genannten Welt-Leute sein mag, die in diese Classe gehören: Aber das scheint uns gewiß zu sein, daß ein Mann von Genie und aufgeklärtem Verstande (denn die bloße Empirie reicht hier so wenig zu, als in irgend einer andern practischen Wissenschaft) durch das Leben in der großen Welt, (in so fern wir dieses Wort in seiner echten Bedeutung nehmen) durch die Verhältnisse, worin er an einem beträchtlichen Platze mit allen Arten von[813] Ständen und Charactern kömmt, durch die häufigen Gelegenheiten die er hat, diejenige so er beobachtet, unter allerlei Umständen, mit und ohne Maske zu sehen, sie auf allerlei Proben zu setzen, und so wohl durch den Gebrauch, den man von ihnen macht, als den sie von andern zu machen suchen, ihre herrschenden Neigungen und geheime Springfedern ausfündig zu machen – – daß er dadurch zu einer unmittelbarern, ausgebreitetern und richtigern Kenntnis der Menschen gelangt, als andre, welche ihre Theorie lediglich den Geschichtschreibern, Metaphysikern und Moralisten (drei sehr wenig zuverlässigen Gattungen von Lehrern) zu danken – – oder welche ihre Beobachtungen nur in dem Microcosmus ihres eigenen Selbst angestellt haben.

Es ist oben schon bemerkt worden, daß Agathon bei seinem Auftritt auf dem Schauplatz, von dem er nun wieder abgetreten ist, lange nicht mehr so erhaben und idealisch von der menschlichen Natur dachte, als zu Delphi; denn es macht einen beträchtlichen Unterschied, ob man unter Bildsäulen von Göttern und Helden, oder unter Menschen lebt; aber nachdem er die Beobachtungen, die er zu Athen und Smyrna schon gesammelt, noch durch die nähere Bekanntschaft mit den Großen, und mit den Hofleuten bereichert hatte, sank seine Meinung von der angebornen Schönheit und Würde dieser menschlichen Natur, von Grade zu Grade so tief, daß er zuweilen in Versuchung geriet, gegen die Stimme seines Herzens (welche eben so wohl, dachte er, die Stimme der Eigenliebe oder des Vorurteilssein könnte,) alles was der göttliche Plato erhabenes und herrliches davon gesagt und geschrieben hatte, für Märchen aus einer andern Welt zu halten. Unvermerkt kamen ihm die Begriffe, welche sich Hippias davon machte, nicht mehr so ungeheuer vor, als damals, da er sich in den Garten dieses wollüstigen Weisen in den Mondschein hinsetzte, und Betrachtungen über den Zustand der entkörperten Geister anstellte. Endlich kam es gar so weit, daß ihm diese Begriffe wahrscheinlich genug deuchten, um sich vorstellen zu können, wie Leute, die in ihrem eigenen Herzen nichts fanden, das ihnen eine edlere Meinung von ihrer Natur zu geben geschickt wäre, durch einen langen Umgang mit der Welt dazu gelangen könnten, sich gänzlich von der Wahrheit desselben zu überreden.[814]

Soweit hätte Agathon gehen können, ohne die Grenzen der weisen Mäßigung zu überschreiten, welche uns in unsern Urteilen über diesen wichtigen Gegenstand, und alles was sich auf ihn bezieht, langsam und zurückhaltend machen sollen. Aber in Stunden, da der Unmut seine schönsten Hoffnungen durch die Torheit oder Bosheit derjenigen mit denen er leben mußte, vor seinen Augen vernichten zu sehen, eine mehr als gewöhnliche Verdüsterung in seiner Seele verursachte, ging er noch um einen Schritt weiter. Nein, sagte er dann zu sich selbst, die Menschen sind nicht wofür ich sie hielt, da ich sie nach mir selbst, und mich selbst nach den jugendlichen Empfindungen eines gefühlvollen Herzens, und nach einer noch ungeprüften Unschuld beurteilte. Meine Erfahrungen rechtfertigen das Schlimmste, was Hippias von ihnen sagte; und wenn sie nichts bessers sind, was für Ursache habe ich, mich darüber zu beschweren, daß sie sich nicht nach Grundsätzen behandeln lassen, die in keinem Ebenmaß mit ihrer Natur stehen? An mir war der Fehler, an mir, der einen Mercur aus einem knotichten Feigenstock schnitzeln wollte. Sagte er mir nicht vorher, daß ich nichts anders zu gewarten hätte, wenn ich den Plan meines Lebens nach meinen Ideen einrichten würde. Seine Vorhersagung hätte nicht richtiger eintreffen können. Hätte ich seinen Grundsätzen gefolgt, hätte ich mich ehmals zu Athen, oder hier zu Syracus so betragen, wie Hippias an meinem Platze getan haben würde – so würde ich meine Absichten ausgeführt haben; so würde ich glücklich gewesen sein – – und der Himmel weiß, ob es den Sicilianern desto schlimmer ergangen wäre. Dieses ist nun das zweite mal, daß Philistus, ein echter Anhänger des Systems meines Sophisten, ob er gleich nicht fähig wäre es so zusammenhängend und scheinbar vorzutragen, über Weisheit und Tugend den Sieg davon getragen hat. – – Und habe ich noch der Erfahrung vonnöten, um zu wissen, daß er eben so gewiß über einen andern Plato, und über einen andern Agathon siegen würde? – – Wieviel ließ ich von meinen Grundsätzen nach, wie tief stimmte ich mich selbst herab, da ich die Unmöglichkeit sah, diejenigen mit denen ich's zu tun hatte, so weit zu mir heraufzuziehen? Wozu half es mir? – – ich konnte mich nicht entschließen niederträchtig zu handeln, ein Schmeichler, ein[815] Kuppler, ein Verräter an dem wahren Interesse des Fürsten und des Landes zu werden – – und so verlor' ich die Gunst des Fürsten, und die einzige Belohnung, die ich für meine Arbeiten verlange, die Vorteile, welche dieses Land von meiner Verwaltung zu genießen anfing, auf einmal, weil ich mich nicht dazu bequemen konnte, alles für anständig und recht zu halten, was nützlich ist – – O! gewiß Hippias, deine Begriffe und Maximen, deine Moral, deine Staatskunst, gründen sich auf die Erfahrung aller Zeiten. Wenn sind die Menschen jemals anders gewesen? Wenn haben sie jemals die Tugend hochgeschätzt, als wenn sie ihrer Dienste benötigt waren; und wenn ist sie ihnen nicht verhaßt gewesen, so bald sie ihren Leidenschaften im Lichte stund?

Diese Betrachtungen führten unsern Helden bis an die äußerste Spitze des tiefen Abgrunds, der zwischen dem System der Tugend, und dem System des Hippias liegt; aber der erste schüchterne Blick, den er hinunter wagte, war genug, ihn mit Entsetzen zurückfahren zu machen. Die Begriffe des wesentlichen Unterschieds zwischen Recht und Unrecht, und die Ideen des sittlichen Schönen, hatten zu tiefe Wurzeln in seiner Seele gefaßt, waren zu genau mit den zartesten Fibern derselben verflochten und zusammengewachsen, als daß es möglich gewesen wäre, daß irgend eine zufällige Ursache, so stark sie immer auf seine Einbildung und auf seine Leidenschaften würken mochte, sie hätte ausreuten können. Die Tugend hatte bei ihm keinen anderen Sachwalter nötig als sein eignes Herz. In eben dem Augenblick, da eine nur allzugegründete Misanthropie ihm die Menschen in einem verächtlichen Lichte, und vielleicht wie gewisse Spiegel, um ein gutes Teil häßlicher zeigte, als sie würklich sind, fühlte er mit der vollkommensten Gewißheit, daß er, um die Crone des Monarchen von Persien selbst, weder Hippias noch Philistus sein wollte; und daß er, sobald er sich wieder in die nämliche Umstände gesetzt sähe, eben so handeln würde, wie er gehandelt hatte, ohne sich durch irgend eine Folge davon erschrecken zu lassen. Hingegen konnte es nicht wohl anders sein, als daß diese Betrachtungen, denen er sich seit seinem Fall, und sonderheitlich während seiner Gefangenschaft, fast gänzlich überließ, den Überrest des moralischen Enthusiasmus,[816] von dem wir ihn bei seiner Flucht aus Smyrna erhitzt gesehen haben, vollends verzehren mußten. Der Gedanke für das Glück der Menschen, für das allgemeine Beste der ganzen Gattung zu arbeiten, verliert seinen mächtigen Reiz, sobald wir klein von dieser Gattung denken. Die Größe dieses Vorhabens ist es eigentlich, was den Reiz derselben ausmacht – – und diese schrumpft natürlicher Weise sehr zusammen, sobald wir uns die Menschen als eine Herde von Creaturen vorstellen, deren größester Teil seine ganze Glückseligkeit, den letzten Endzweck aller seiner Bemühungen auf seine körperliche Bedürfnisse einschränkt, und dabei dumm genug ist, durch eine niederträchtige Unterwürfigkeit unter eine kleine Anzahl der schlimmsten seiner Gattung, sich fast immer in den Fall zu setzen, auch dieser bloß tierischen Glückseligkeit nur selten oder auf kurze Zeit, bittweise oder verstohlner Weise habhaft zu werden. Jedes Tier sucht seine Nahrung – – gräbt sich eine Höhle, oder baut sich ein Nest – – begattet sich – – schläft – – und stirbt. Was tut der größeste Teil der Menschen mehr? Das beträchtlichste Geschäfte, das sie von den übrigen Tieren voraus haben, ist die Sorge sich bekleiden, welche die hauptsächlichste Beschäftigung vieler Millionen ausmacht. Und ich sollte, (sagte Agathon in einer von seinen schlimmsten Launen zu sich selbst) ich sollte meine Ruhe, meine Vergnügungen, meine Kräfte, mein Dasein der Sorge aufopfern, damit irgend eine besondere Herde dieser edeln Creaturen besser esse, schöner wohne, sich häufiger begatte, sich besser kleide, und weicher schlafe als sie zuvor taten, oder als andere ihrer Gattung tun? – – Ist das nicht alles was sie wünschen? Und gebrauchen sie mich dazu? Was sollte mich bewegen, mir diese Verdienste um sie zu machen? Ist vielleicht nur ein einziger unter ihnen, der bei allem was er unternimmt, eine edlere Absicht hat, als seine eigne Befriedigung? Bin ich ihnen etwan einige Hochachtung oder Dankbarkeit dafür schuldig, daß sie für meine Bedürfnisse oder für mein Vergnügen arbeiten? Ich bin schuldig, sie dafür zu bezahlen; das ist alles was sie wollen, und alles was sie an mich fordern können.

Himmel! – – so deucht mich, höre ich hier einige rührende Stimmen ausrufen – – ist's möglich? Konnte Agathon so denken? So klein, so unedel – – So kalt, meine schönen Damen, so[817] kalt! Und sie werden mir gestehen, daß man in einer Einkerkerung von zween oder drei Monaten, die man sich ganz allein durch große und edle Gesinnungen zugezogen, gute Gelegenheit hat, sich von der Hitze der großmütigen Schwärmerei ein wenig abzukühlen – – Aber was wird nun aus der Tugend unsers Helden werden? – – Was ist die Tugend ohne dieses schöne Feuer, ohne diese erhabene Begeisterung, welche den Menschen über die übrigen seiner Gattung, welche ihn über sich selbst erhöht, und zu einem allgemeinen Wohltäter, zu einem Genius, zu einer subalternen Gottheit macht? – – Wir gestehen es, sie ist ohne diese ätherische Flamme ein sehr unansehnliches, sehr wenig glänzendes Ding – – »Und wie traurig ist es, die Tugend unsers Helden gerade da unterliegen zu sehen, wo sie sich in ihrer größesten Stärke zeigen sollte? – – Wie? – – erliegen, weil man Widerstand findet? Die gute Sache aufgeben, weil man, und viel leicht ohne Not, an einem glücklichen Ausgang verzweifelt? Was ist denn die wahre Tugend anders, als ein immerwährender Streit mit den Leidenschaften, Torheiten und Lastern – – in uns, und außer uns?« – – Vortrefflich! – – und in Bunyans Reise so wohl ausgeführt, meine Herren, daß ihr uns hier weiter nichts zu sagen braucht. Es ist bedaurlich, daß unser Held seine Rolle nicht besser behauptet – – Aber allem Ansehen nach, war er wohl niemals ein Held – – und wir hatten Unrecht ihm einen so ehrenvollen Namen beizulegen – – »Das eben nicht; er fing vortrefflich an; er war ein Held, da er sich den zudringlichen Liebkosungen der verführischen Pythia entriß« – – Das konnte die scheue und schamhafte Unschuld der unbärtigen Jugend getan haben; und liebte er damals nicht die schöne Psyche? – – »So verdiente er doch ein Held genennt zu werden, als er den Mut hatte, sich eines verlassenen Unschuldigen gegen eine mächtige Partei anzunehmen?« – – Ihr könntet vielleicht eben soviel aus Ehrgeiz – – oder aus Haß gegen einen der Feinde eures Clienten- – oder aus einer geheimen Absicht auf die Gemahlin eures Clienten – – oder um vierzig tausend Livres aus der Casse eures Clienten tun? – – und ihr hättet in keinem von diesen Fällen eine Heldentat getan. Daß Agathon damals aus edeln Gesinnungen handelte, wissen wir – – von ihm selbst; und wir haben Gründe, es ihm zu glauben – – aber er[818] konnte sich mit der größesten Wahrscheinlichkeit einen glänzenden Succeß versprechen; und was für ein Triumph war das für die Ruhmbegierde eines Jünglings von zwanzig Jahren? – »Nun, so war er doch gewiß ein Held, da er gleichmütig und unerschütterlich sich dem ungerechten Verbannungs-Urteil der Athenienser unterzog, und lieber das äußerste erdulden, als seine Lossprechung einer Niederträchtigkeit zu danken haben wollte! – – So war er's damals, da er von sich sagen konnte: Ich verwies es der Tugend nicht, daß sie mir den Haß und die Verfolgungen der Bösen zugezogen hatte; ich fühlte, daß sie sich selbst belohnt.« – – In der Tat, er war in diesem Augenblick groß; aber wir müssen nicht vergessen, daß er sich damals in einem außerordentlichen Zustande, auf dem äußersten Grade dieses Enthusiasmus der Tugend befand, der den Menschen vergessen macht, daß er nur ein Mensch ist. Diese Art von Heldentum daurt natürlicher Weise nicht länger, als der Paroxysmus des Affects. Agathon war sich damals, als er so dachte, einer unbefleckten Tugend bewußt; und zu was für einem Stolz mußte dieses Gefühl seine Seele in einem Augenblick aufschwellen, da sich ganz Athen zusammenverschworen zu haben schien, ihn zu demütigen; in einem Augenblick, da dieser Stolz der ganzen Last seines Unglücks das Gleichgewicht halten mußte, und ihm den Triumph verschaffte, die Herren über sein Schicksal die ganze Obermacht, die ihm seine Tugend über sie gab, fühlen zu lassen? Diese Art von Stolz gleicht in ihren Würkungen der Wut eines tapfern Mannes der zur Verzweiflung getrieben wird. Die Gewißheit des Todes; in den er sich hineinstürzt, macht, daß er Taten eines Unsterblichen tut. Aber Agathon hatte dermalen nicht mehr soviel Ursache, auf seine Tugend stolz zu sein. Eben diese enthusiastische Gemüts-Beschaffenheit, welche ihm bei seiner Verbannung zu Athen die Gesinnungen eines Gottes eingehaucht, hatte ihn zu Smyrna den Schwachheiten eines gemeinen Menschen ausgesetzt. Er dachte nicht mehr so groß von sich selbst, und da ihm nun, in ähnlichen Umständen, dieser heroische Stolz nicht mehr zu statten kommen konnte, so mußte sich derselbe notwendig in diejenige Art von Misanthropie verwandeln, welche sich über die ganze Gattung erstreckt. In diesem Stücke, wie in vielen[819] andern, ist die Geschichte Agathons die Geschichte aller Menschen. Wir denken so lange groß von der menschlichen Natur, als wir groß von uns selber denken; unsere Verachtung hat alsdann nur einzelne Menschen oder kleinere Gesellschaften zum Gegenstand. Aber sobald wir in unsrer Meinung von uns selbst fallen, sinkt durch eine innerliche Gewalt über welche wir nicht Meister sind, unsre Meinung von der ganzen Gattung zu welcher wir gehören; wir verwundern uns, daß wir nicht eher wahrgenommen, daß die Torheiten, die Laster derjenigen, unter denen wir leben, Gebrechen der Natur selbst sind, denen (mehr oder weniger, auf diese oder eine andre Art, je nachdem Zeit, Umstände, Temperament und Gewohnheit es mit sich bringen) ein jeder unterworfen ist; je genauer wir die Menschen untersuchen, je mehr Gründe finden wir, so zu denken; und diese Denkungsart flößet uns, zu eben der Zeit, da sie uns eine gewisse Geringschätzung gegen die ganze Gattung gibt, mehr Nachsicht gegen die Fehler und Gebrechen der einzelnen Personen, und besondern Gesellschaften, mit denen wir in Verhältnis stehen, ein; so daß wir das, was wir an jenem tugendhaften Schwulst, welchen die Einfalt übereilter Weise für die Tugend selbst hält, verlieren, zu eben der Zeit an den notwendigsten und liebenswürdigsten Tugenden, an Geselligkeit und Mäßigung gewinnen: Tugenden, welche zwar nichts blendendes haben, aber desto mehr Wärme gehen, und uns desto geschickter machen, unter Geschöpfen zu leben, welche ihrer alle Augenblicke benötiget sind.

Es ist ein gemeiner und oft getadelter Fehler des menschlichen Geschlechts, daß sie das Wunderbare mehr lieben als das Natürliche, und das Glänzende mehr als was nicht so gut in die Augen fällt, wenn es gleich brauchbarer und dauerhafter ist. Diese Art von dem Werte der Sachen zu urteilen ist nirgends betrüglicher, als wenn sie auf moralische Gegenstände angewendet wird. Der Schluß, den man öfters von der Erhabenheit der Begriffe und Empfindungen einer Person, und von der Fertigkeit eine gewisse Sprache der Begeistrung zu reden, welche (wie die homerische Göttersprache) allen Dingen andre Namen gibt, ohne daß die Dinge selbst darum etwas anders sind, als sie unter ihren gewöhnlichen Namen sind, auf eine außerordentliche Vortrefflichkeit[820] des Characters dieser Person zu machen pflegt, ist eben so falsch, als das Vorurteil, welches viele gegen eine gelassene und bescheidene Tugend gefaßt haben, welche, ohne sich durch feirliches Gepränge, hochfliegende Ideen, anmaßliche Privilegien von den Gebrechen der menschlichen Natur, und unerbittliche Strenge gegen dieselben anzukündigen, nur darum weniger zu versprechen scheint, um im Werke selbst desto mehr zu leisten. Dieses vorausgesetzt könnten wir vielleicht mit gutem Grunde behaupten, daß die Tugend unsers Helden, durch die neuerliche Veränderung, die in seiner Denkensart vorging, in verschiedenen Betrachtungen, große Vorteile erhalten habe. Aber (wir wollen es nur gestehen) was sie dabei auf einer Seite gewann, verlor sie auf einer andern wieder. Die Begriffe, welche wir uns von unsrer eignen Natur machen, haben einen entscheidenden Einfluß auf alle unsre übrigen Begriffe. So irrig, so lächerlich und kindisch es ist, wenn wir uns einbilden (und doch bilden sich das die Meisten ein) daß der Mensch die Hauptfigur in der ganzen Schöpfung, und alles andere bloß um seinetwillen da sei – – So natürlich ist hingegen, daß er es in dem besondern System seiner eignen Ideen ist. In dieser kleinen Welt ist und bleibt er, er wolle oder wolle nicht, der Mittelpunct – der Held des Stücks, auf den alles sich bezieht, und dessen Glück oder Fall alles entscheidet. Alles ist groß, wichtig, interessant, wenn die Hauptperson wichtig ist, und eine große Rolle zu spielen hat; aber wenn Scapin oder Harlekin der Held ist, was kann das ganze Stück anders sein, als eine Farce?

Man erinnert sich vermutlich noch der Zweifel, worin sich Agathon verwickelt fand, als er die bezauberten Ufer von Jonien verließ, wo er, vielleicht zu seinem Vorteil, erfahren hatte, daß die Ideen, welche sich in den Hainen zu Delphi seiner jugendlichen Seele bemächtiget, und durch den Unterricht und Umgang des göttlichen Platons zu Athen noch mehr darin befestiget hatten, ihm bei einer Gelegenheit, wo er sich mit vollkommner Sicherheit auf ihre Stärke und beschützende Kraft verlassen hatte, mehr nachteilig als nützlich gewesen waren, ja sich endlich (zu einem billigen Verdacht gegen ihre Realität) von ganz entgegengesetzten so unmerklich und gutwillig hatten verdrängen lassen, daß er die Veränderung nicht eher wahrgenommen,[821] als da sie schon völlig zu Stande gekommen war. Agathon hatte damals keine Zeit, dieser Zweifel wegen mit sich selbst einig zu werden; er glaubte zwar, oder hoffte vielmehr überhaupt, daß dasjenige was in seinen vormaligen Grundsätzen wahres sei, sich mit seinen neuerlangten Begriffen sehr wohl vereinigen lassen werde – – aber er sah doch noch nicht deutlich genug, wie? – und wurde beim ersten Anblick Lücken gewahr, welche ihm desto mehr Sorge machten, je weniger er geneigt war, sie nach dem Exempel der Meisten, die sich in dieser Schwierigkeit befinden, mit dem ersten Besten, es möchte Stroh, Leimen, Lumpen oder was ihm sonst in die Hände fiele, sein, auszustopfen. Indes hatten doch damals seine vorigen Lieblings-Ideen noch einen starken Anhang in seinem Herzen, und er beruhigte sich, auf die Eingebungen desselben hin, mit der Hoffnung, daß es ihm, sobald er in ruhigere Umstände käme, leicht sein würde, die Harmonie zwischen seinem Kopf und seinem Herzen vollkommen wieder herzustellen. Allein die Geschäfte und die Zerstreuungen, welche zu Syracus alle seine Zeit verschlangen, hatten ihn genötigt, eine für ihn so wichtige Arbeit lange genug aufzuschieben, um sie durch immer neu hervorbrechende Schwierigkeiten ungleich schwerer zu machen, als sie anfangs gewesen wäre. Die umgereimte und lächerliche Seite der menschlichen Meinungen, Leidenschaften, und Gewohnheiten ist gemeiniglich die erste, welche sie einem Manne von Verstand und Witz zeigen, der die Muße nicht hat, sie mit anhaltender Aufmerksamkeit zu betrachten. Agathon gewöhnte sich also unvermerkt an diese Art, die Sachen anzuschauen; die natürliche Heiterkeit und Lebhaftigkeit seiner Sinnesart disponierte ihn ohnehin dazu; und die Syracusaner, deren Character eine Vermischung des Atheniensischen und Corinthischen, oder eine Composition von den widersprechendesten Eigenschaften, welche ein Volk nur immer haben kann, ausmachte – -und ein Hof, wie Dionysens Hof war – – versahen ihn so reichlich mit comischen Charactern, Bildern und Begebenheiten, daß der Absatz, welchen der gegenwärtige Ton seiner Seele (wenn man uns dieses malerische Kunst-Wort hier erlauben will) mit seinem ehmaligen machte, von Tag zu Tag immer stärker werden mußte. Der Oromasdes und Arimanius[822] der alten Persen werden uns nicht als tödlichere Feinde vorgestellt, als es der comische Geist, und der Geist des Enthusiasmus sind; und die natürliche Antipathie dieser beiden Geister wird dadurch nicht wenig vermehrt, daß beide gleich geneigt sind, über die Grenzen der Mäßigung hinauszuschweifen. Der Enthusiastische Geist sieht alles in einem strengen feierlichen Licht; der Comische alles in einem milden und lachenden; nichts ist dem ersten leichter als so weit zugehen, bis ihm alles, was Spiel und Scherz heißt, verdammlich vorkommt; nichts dem andern leichter, als gerade in demjenigen, was jener mit der größesten Ernsthaftigkeit behandelt, am meisten Stoff zum Scherzen und Lachen zu finden.

Nehmen wir zu diesem noch, daß der leichtsinnige und scherzhafte Ton von jeher den Höfen vorzüglich eigen gewesen ist – und den besondern Umstand, daß die anmaßlichen Academisten, oder Hof-Philosophen des Dionys, den einzigen Aristipp ausgenommen, eine Art von Tragi-comischen Narren vorstellten, welche recht mit Fleiß dazu ausgesucht zu sein schienen, um die erhabenen Wissenschaften, für deren Priester und Mystagogen sie sich ausgaben, so verächtlich zu machen, als sie selbst waren – – Nehmen wir alles dieses zusammen, so werden wir uns kaum verwundern können, wie es möglich gewesen, daß unser Held nach und nach sich endlich auf einem Punct befand, wo ihn damals, da er in der Grotte der Nymphen auf Erscheinungen der Götter wartete – – oder da er die Grundsätze, die Verheißungen und die Freundschaft des Sophisten Hippias mit einem so feurigen Unwillen von sich stieß – – vermutlich niemand, oder nur die schlauesten Kenner des menschlichen Herzens erwartet haben mögen – – nämlich da, wo ihm ein großer Teil seiner vormaligen Ideen, an denen er zu Smyrna nur zu zweifeln angefangen hatte, nun selbsten ganz schimärisch und belachenswert, und diejenigen, deren Gegenstände ihm zwar ehrwürdig bleiben mußten, doch subjectivisch betrachtet, in der barokischen Gestalt, wie sie in der Einbildung der Sterblichen verkleinert, verzerrt, vermischt oder verkleidet werden, zu nichts anderm zu taugen schienen, als lustig damit zu machen.

Unsere nachdenkenden Leser werden nunmehr ganz deutlich begreifen, warum wir Bedenken getragen haben, dem Urheber[823] der Griechischen Handschrift in seinem allzugünstigen Urteil von dem gegenwärtigen moralischen Zustande unsers Helden, Beifall zu geben. Wir können uns nicht verbergen, daß dieser Zustand für seine Tugend gefährlich ist, und desto gefährlicher, je mehr man in demselben durch eine gewisse Behaglichkeit, Munterkeit des Geistes, und andre Anscheinungen einer völligen Gesundheit, sicher gemacht zu werden pflegt, sich in seinem natürlichen Zustande zu glauben. Nicht als ob es uns eben so leid sei, unsern Helden (den wir mit allen seinen Fehlern eben so sehr lieben, als ob er ein Sir Carl Grandison wäre) auf dem Wege zu sehen, von allen Arten der Schwärmerei von Grund aus geheilt zu werden – – Denn so viel schönes und gutes sich immer zu ihrem Vorteil sagen lassen mag, so bleibt doch gewiß, daß es besser ist gesund sein, und keine Entzückungen haben, als die Harmonie der Sphären hören, und an einem hitzigen Fieber liegen – aber wir besorgen billig, daß die allzustarke Nachlassung, welche in der Seele eben sowohl als im Leibe, auf eine übermäßige Spannung zu folgen pflegt, seinem Herzen wenigstens so nachteilig werden könnte, als es die liebenswürdige Schwärmerei, womit wir ihn behaftet gesehen haben, seiner Vernunft sein mochte. Der neue Schwung, den seine Denkungsart zu Syracus bekam, würde uns ziemlich gleichgültig sein, wenn die Veränderung sich bloß auf speculative Begriffe oder den Ton und die Verteilung des Lichts und Schattens in seiner Seele erstreckte: Aber wenn er dadurch weniger rechtschaffen, weniger ein Liebhaber der Wahrheit, weniger empfindlich für das Beste des menschlichen Geschlechts, weniger edelgesinnt, und wohltätig, weniger zur vorzüglichen Teilnehmung an der Glückseligkeit irgend einer besondern Gesellschaft (ohne welche die anmaßliche Welt-Bürgerschaft gewisser Leute bloße Großsprecherei oder höchstens eine Art von Don-Quischotterie ist) und zur Freundschaft, diesem Lieblings- Phantom schöner Seelen, weniger aufgelegt würde – – erlaubet mir, ihr strengen Anti-Platonisten, denen alles Schimäre heißt, was sich nicht geometrisch beweisen läßt, erlaubet mir noch weiter zu gehen – – wenn dieser schöne, herzerhöhende, wohltätige, und der Tugend so vorteilhafte Gedanke – – für eine größere Sphäre als dieses animalische Leben, für eine edlere[824] Art von Existenz, für vollkommnere Gegenstände, und zu einer vollkommnern Art von Activität, als unsre dermalige bestimmt zu sein – – und die begeisternden, wiewohl träumerischen Aussichten, die uns dieser Beste aller Gedanken gibt – – wenn er keinen Reiz, keine Macht auf seine Seele mehr hätte – – O! Agathon, Agathon! dann würdest du, nicht unsern Haß, nicht eine lieblose Beurteilung, nicht eine triumphierende Freude über deinen Fall, aber – – unser Mitleiden verdienen.

Die Gemüts-Verfassung worin wir ihn in diesem Capitel gesehen haben, scheint allerdings nicht sehr geschickt zu sein, uns über diesen Punct seinetwegen außer Sorgen zu setzen. Es ist eine so unbeständige Sache um die Begriffe, Meinungen und Urteile eines Menschen! Die Umstände, der besondere Gesichts-Punct, in den sie uns stellen, die Gesellschaft worin wir leben, tausend kleine Einflüsse, die wir einzeln nicht gewahr werden, haben soviel Gewalt über dieses unerklärbare, launische, widersinnische Ding, unsre Seele! – – daß wir nicht Bürge dafür sein wollten, was aus unserm Helden hätte werden können, wofern er mit solchen Dispositionen in eine Gesellschaft von Hippiassen und Alcibiaden, oder zurück in die schöne Welt zu Smyrna versetzt worden wäre. Zu gutem Glück sehen wir ihn im Begriff, zu Leuten zukommen, welche ihn mit der Menschheit wieder aussöhnen, und seinem schon erkaltenden Herzen diese beseelende Wärme wieder mitteilen werden, ohne welche die Tugend eine bloße Speculation ist, die zwar einen unerschöpflichen Stoff zu scharfsinnigen Betrachtungen gibt, aber unter den vielerlei chymischen Processen, welche die allzuspitzfündige Vernunft mit ihr vornimmt, endlich ein so abgezogenes, so feines, so delicates Ding wird, daß sich kein Gebrauch davon machen läßt.

So sehr sich auch die Einbildungs-Kraft unsers Helden abgekühlt hat, so unzuverlässig, übertrieben und grillenhaft er die Geister-Lehre und die metaphysische Politik seines Freundes Plato zu finden glaubt; so comisch ihm seine eigene Ausschweifungen in dem Stande der Bezauberung, worin er sich ehemals befunden, vorkommen; so klein er überhaupt von den Menschen denkt, und so fest er entschlossen zu sein vermeint, von dem schönen Phantom, wie er es izo nennt, von dem Gedanken,[825] sich Verdienste um seine Gattung zu machen, in seinem Leben sich nicht wieder täuschen zu lassen; so ist es doch bei weitem noch nicht an dem, daß er diese zarte Empfindlichkeit der Seele, und diesen eingewurzelten Hang zu dem idealischen Schönen verloren haben sollte, der das geheime Principium seiner ehemaligen Begeisterung, und aller der manchfaltigen Schwärmereien, Bezauberungen und Entzückungen, in deren magischem Labyrinthe sie ihn, nach Maßgabe der Umstände, herumgeführt, gewesen ist. Die verstohlnen Blicke, die er noch so gerne in die Scenen seiner glücklichen Jugend wirft; das Bild der liebenswürdigen Psyche, welches durch alle Veränderungen, die in seiner Seele vorgegangen, nichts von seinem Glanze verloren hat; die Erinnerung dieser reinen, unbeschreiblichen, fast vergötternden Wollust, in welcher sein Herz zerfloß, als er es noch in seiner Gewalt hatte, Glückliche zu machen; und als die Reinigkeit dieser göttlichen Lust noch durch keine Erfahrungen von der Undankbarkeit und Bosheit der Menschen verdüstert und trübe gemacht wurde – – diese Bilder, denen er sich noch so gerne überläßt – welche sich selbst in seinen Träumen seiner gerührten Seele so oft und so lebhaft darstellen – – die Seufzer, die Wünsche, die er diesen geliebten verschwindenden Schatten nachschickt – – alle diese Symptomen sind uns Bürge dafür, daß er noch Agathon ist; daß die Veränderung in seinen Begriffen und Urteilen, die neue Theorie von allem dem, was würklich ein Gegenstand unsrer Nachforschung zu sein verdient, oder von Eitelkeit und Vorwitz dazu gemacht worden, welche sich in seiner Seele zu entwickeln angefangen, die edlern Teile seines Herzens nicht angegriffen habe; kurz, daß wir uns Hoffnung machen können, aus dem Streit der beiden widerwärtigen und feindlichen Geister, wodurch seine ganze innerliche Verfassung seit einiger Zeit erschüttert, verwirrt und in Gärung gesetzt worden, zuletzt eine eben so schöne Harmonie von Weisheit und Tugend hervorkommen zu sehen, wie nach dem System der alten Morgenländischen Weisen, aus dem Streit der Finsternis und des Lichts, diese schöne Welt hervorgegangen sein soll.[826]

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Werke. Band 1, München 1964 ff., S. 811-827.
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Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

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