[32] Die Vorigen; im festlichen Zuge kommen durch das Thor Trompeter, römische Krieger, Publius Saturninus als römischer Feldherr gekleidet und gerüstet. Apelles, Julius Aurelius Wahballath, Septimius Malku, Longinus und andere Palmyrener alle bewaffnet, wiederum römische Krieger, dann Volk Männer, Frauen und Kinder, das nachdrängt und den Zug von allen Seiten umringt, so daß Bolana verdeckt wird; ein Haufe bleibt oben unter den Palmen stehn.
SATURNINUS.
Trompeten, schweigt! – – Du sträubst dich war, Apelles,
Besondren Dank für dein besondres Thun
Und Ehre, die nur dir gilt, zu empfangen;
Du stolz bescheidner Mann vergrübst dich gern[32]
Ins dichteste Gewimmel deiner Freunde,
Wie du dich in der Feinde Haufen stürztest.
Ich aber, als des Kaisers Stellvertreter
Und Feldheer, muß gerechten Lohn verteilen
Und drum dich anders ehren als die andern:
Denn als der Perser, unsres Reiches Not
Wie immer dreist benützend, in dies Grenzland
Hereinbrach und das zitternde Palmyra
Mit stürmender Hand bekämpfte, wecktest du
Den ganz verzagten Nut in allen Gassen,
Warst Herold, Wächte, Feldherr, Waffenschmied,
Schufst aus Palmyras Volk ein römisch Heer,
Aus Knaben Krieger und aus Bürgern Helden.
So schlugt ihr trotzig Sturm auf Sturm zurück,
Bis unsre Adler durch die Wüste kamen,
Euch zu befrein, und ich, des Kaisers Feldherr,
Mein Heer und euch zu Einer Wolke ballend,
Da draußen heut dem Feind ein Wetter machte,
Das ihn zerspellt hat und nach Haus geschickt!
AURELIUS WAHBALLATH.
Heil unserm Feldherrn Publius Saturninus,
Dem Sieger in der Schlacht!
VOLK.
Heil unserm Feldherrn!
TIMOLAOS leise zu Longinus.
Hörst du, wie Freund Aurelius Wahballath die Wurst nach dem Schinken wirft?[33]
SATURNINUS nach zufriedenem Lächeln.
Ich dank' euch; – doch ich führt' euch nicht hierher,
Um mich zu ehren, sondern diesen Mann.
Vor seiner Thür, vor seiner Mutter Antlitz
Will ich ihm sagen – – Doch die Mutter seh' ich nicht.
Wo steht die würdige Frau, der du entstammst –
TIMOLAOS zu Apelles, der suchend umherblickt.
Dort sitzt sie.
APELLES geht durch die Menge hindurch auf Bolana zu.
Mutter! – Wie? Du weinst? du schluchzest?
BOLANA mühsam sprechend.
Vor Freude, Kind.
APELLES lächelt.
Laß dich umarmen, Mutter,
Damit der römische Kriegesheld nicht sieht,
Die Mutter des »Erretters« weint!
SATURNINUS mit herablassendem Lächeln.
Wir Römer
Verstehn auch solche Thränen. – Hör mich denn,
Sehr ehrenwerte Mutter des Apelles.
Ich mehre deine Thränen: in des Kaisers
Hochheiligem Namen dank' ich deinem Sohn,
Der um das vielbedrängte römische Reich
Sich wohlverdient gemacht, und grüß' ihn ehrend
Als den getreusten, besten Palmyrener![34]
AURELIUS.
Heil dem Apelles!
ALLE durcheinander.
Heil! Heil dem Apelles!
Dem besten Palmyrener!
APELLES.
Edler Feldherr,
Und gute Freunde –
SEPTIMIUS MALKU.
Still! Apelles spricht!
APELLES.
Maßlos, wie man mich ehrt, so sollt' ich danken;
Doch meine Zung' ist schwer zu solcher Zeit
Und scheut sich vor den großen Worten mehr
Als vor dem stärksten Feind! – ein edler Feldherr,
Ich kam in dieser Stadt zur Welt, – halb griechisch,
Halb syrisch Blut; die griechischen Tropfen drin
Ergaben sich der edlen Kunst, die Häuser
Und Tempel baut, und so hantier' ich denn,
Bürger des Musenreichs; das Syrerblut
Sog sich am alten Mutterboden fest,
War froh und stolz und traurig mit Palmyra,
Der »Königin der Wüste«, wie sie's nannten,
Der reichsten Stadt im Reich nach eurem Rom,
Bis unsrer Fürsten Übermut sie hinwarf
Unter das Zuchtschwert Roms und Aurelianus,
Der strenge Kaiser, sie zu Asche stäubte.[35]
Wohl wuchs sie wieder, hob sich aus dem Staub,
Und ihren Bürgern, ihren Göttern bauten
Wir neue Häuser; doch gebrochen war
Die Säule ihrer Kraft, verspottet war sie
Als Wüste in der Wüste, unser Mut
War Demut worden, unser Stolz Verzagen.
Das wurmte mich; und als der Perser kam
Und alles rief: »verloren!« da ergrimmt' ich,
Rief meine Freunde, schalt das Volk, gab Waffen
Und bös' und gute Worte, bis das Blut
Der alten Palmyrener neu erglühte
Und – – nun, das andre weißt du. Haben wir
Gekämpft wie Römer, bis die Römer kamen,
So freun wir uns des Ruhms und legen nun
Die Waffen wieder hin, und drin im Haus
Mein Werkzeug nehm' ich, schaff' und baue wieder,
Als Sohn des Musenreichs!
SATURNINUS.
Du hast noch andres
Gebaut, davon du schweigst. Mit deinen Freunden –
Hier stehn sie – hast du neues Recht und Ordnung
Errichtet in Palmyra, dieser Sadt
Verfassung umgestürzt, das Volk berufen
Zur Wahl und Mitregierung.
APELLES.
Ja, wir thaten's;
Im Drang der Not, mein Feldherr. Auf den Stühlen
Der Herrschaft saß ein greisenhaft Geschlecht,[36]
Wie Mumien auf vergilbten Pergamenten;
Der Brauch war Mißbrauch worden, Recht zum Unrecht,
Und die uns führen sollten, zitterten:
»Der Perser kommt!« und nahmen ihre Zepter
Wie Krücken unter'n Arm, nach Haus zu hinken.
Da warfen wir die alte Satzung um
Und machten eine neue, uns zu retten.
Wird unser Arm gelobt, der diese Stadt
Dem Reich erhielt, so war auch das nicht schlecht,
Was diesem Arm die Kraft gab und die Freiheit;
Und du, des Kaisers Mund, du wirst nicht sagen:
Das Unrecht werde wieder Recht!
SATURNINUS lächelnd.
Mit deiner
Rebellischen Weisheit könnt' ich wohl noch rechten;
Doch unsres Kaisers Diocletianus
Erhabnem Sinn getreu, dem nichts so heilig
Wie das ihm anvertraute römische Reich
Und seine treuen Bürger, heiß' ich gut,
Was hier geschehn ist, in des Kaisers Namen.
Das neue Recht sei Recht! So mögt denn ihr,
Die Jungen und die Starken, hier gebieten! –
Und wenn de Kaiser, der Palmyra strafte,
Der »strenge« Aurelianus, doch gebot,
Den Sonnentempel wieder aufzubauen,
Den seiner stürmenden Krieger Wut zerstörte,
So weih' ich heut, zu eures Ruhms Gedächtnis,
Die Siegesbeute einem Tempelbau
In dieser edlen Stadt. Der großen Göttin
Des Glücks gehör' er; daß sie gnädig euch[37]
Für alle Zeit beschirme! Du, Apelles,
Der Meister von Palmyra, sollst ihn bauen –
Nach hinten deutend.
Auf jener Stätte, wo die Palmen stehn –
Daß, wenn du hier vor deinem Hause sitzest,
Dein Aug' ihn sieht und deines Werks sich freut.
APELLES.
Mein hochgepriesner Feldherr und Gebieter!
Nun werd' ich fast der Mutter gleich und rede
Durch meine Augen ... Herr! Hab Dank! Beim Zeus,
Ich will ein Werk erbaun, das dir gefällt –
Dem Tag zur Ehre – und der teuren Göttin
Des Glücks, die heut uns segnet. – Männer von
Palmyra! Freut euch! Freut euch mit Apelles!
Und ruft mit mir: Heil unserm Freund und Feldherrn
Und diesem Tag des Glücks!
AURELIUS.
Anbetung dem
Erhabnen Saturninus!
ALLE.
Heil ihm! Heil ihm!
SATURNINUS leutselig.
Genug des »Heils«! – Habt Dank! – – Wir alle sind
Wohl müde, denk ich; wohlverdiente Ruhe
Sei, nach dem höhern Lohn des Ruhmgefühls,
Der niedre Lohn, der unsrer Schwachheit zukommt.
Habt Ruh' und Ehr' und Frieden in Palmyra; –
Auf morgen die Geschäfte![38]
APELLES.
Leb denn wohl,
Mein Feldherr. Ewigen Dank –
SATURNINUS.
Nichts mehr von Dank.
Lebt wohl!
Winkt den Trompetern und Kriegern.
Nach Hause!
Die Trompeter, sich in Bewegung setzend, blasen wieder; das Volk, ihnen und den Kriegern folgend, jubelt dem Saturninus wieder zu, wirft die Hüte in die Luft. Alle durchs Thor ab, bis auf Apelles, Aurelius, Septimius, Longinus, Timolaos, Bolana und ihre Sklavinnen.
TIMOLAOS halblaut zu Longinus, während die blasenden Trompeter sich langsam entfernen. Ein kluger Mann, dieser Saturninus. Wie herablassend er uns schmeichelte. Kluge Schufte, die Römer!
LONGINUS lächelnd.
Still, du Lästerzunge.
Geht zu Apelles, reicht ihm die Hand. Schlicht herzlich.
Liebster Apelles!
APELLES.
Was?
LONGINUS.
Will dir nur sagen:
Ich freue mich mit dir!
SEPTIMIUS eifrig.
Und ich![39]
AURELIUS.
Wer nicht?
Wir alle, alle, und von ganzem Herzen!
APELLES.
Habt alle Dank, ihr Freunde! – – Schöne Tage
Wird nun Palmyra, das befreite, sehn.
AURELIUS.
Das hoffen wir, mein trautester Apelles.
Wir werden fest zusammenstehen, denk' ich,
Daß uns die Herrschaft bleibt!
APELLES.
Die Freiheit, meinst du.
AURELIUS.
Die Freiheit, ja. – Dem Volk die Freiheit – uns
Die Herrschaft, um die Freiheit ihm zu wahren.
TIMOLAOS.
Ei! Fein gesondert!
APELLES.
Denkst du schon, Aurelius,
Wer fürder herrschen soll? Ich nicht. Ich will
Nur Freiheit haben, wie ein Mann zu leben –
Und schöne Säulentempel aufzubauen.
Mein Herz ist glücklich![40]
LONGINUS.
Und Bolana lächelt.
Wir gehn; besprich dich, Freund, mit deinem Herzen
Und mit der Mutter. Denk ein wenig auch
Der Schrammen dort am Arm –
APELLES lächelnd.
Die heilen schon.
Glück ist der Arzt der Ärzte. Gute Nacht
Für heut, ihr Freunde! Morgen Glük wie heut –
Und so fortan!
Reicht ihnen die Hand.
AURELIUS.
So sei's!
SEPTIMIUS.
Leb wohl, Bolana,
Glückselige Mutter!
BOLANA dankend nickend.
Dank und Heil euch allen!
Septimius mit Aurelius ab, nach rechts.
TIMOLAOS sieht den Abgehenden nach; halblaut zu Longinus.
Da gehn die künftigen Säulen von Palmyra.
Schau, wie Septimius schon die Fersen hebt,
Sich zu vergrößern.
LONGINUS.
Komm, du Sauerteig.[41]
TIMOLAOS.
Ja, Philosoph.
Tritt zu Apelles, der nach hinten gegangen ist und sinnend den Platz unter den Palmen betrachtet.
Der baut hie schon im Geist
Den Tempel auf.
Seufzt.
Ich wollt', ich wäre du. –
Doch nein, dir gönn' ich es. – Beim Höllenhund,
Ich bin dir gut. Leb wohl!
APELLES lächelt, schüttelt ihm die Hand.
Unfried, hab' Frieden!
Longinus und Timolaos links ab, hinter Apelles' Haus. Die Sklavinnen sind auf einen Wink Bolanas ins Haus gegangen.
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