Erster Auftritt.

[61] Timolaos, Sklaven die während dieses Auftritts ab und zu gehen und aus dem zweiten Gemach, dort rechts oder links verschwindend, Prunkgefäße und Blumen für die Tafel bringen; etwas später Longinus. Timolaos ist ein wenig im Bart und an den Schläfen ergraut, sonst nicht merklich gealtert Longinus aus einem Jüngling ein Mann geworden.


TIMOLAOS zu einem der Sklaven. Blumen? So viel ihr könnt; nichts auf der Welt liebt sie so, wie Blumen, eure Herrin. Zu einem andern. Ueber dich freu' ich mich, Nassum. Sich treu bleiben ist eine große Tugend; du bist noch ebenso faul wie an dem Tag, als der Herr dich kaufte. Tummle dich ja nicht, schleich[61] wie eine Schnecke; bleib dir treu, Nassum! Die andern Sklaven lachen miteinander. Longinus tritt ein von links.

LONGINUS. Wie gut es diesem Timolaos ansteht, bei seinem Apelles den Haushofmeister zu machen! Lustig, freundlich, unermüdlich, wie wenn es sein Beruf wäre –

TIMOLAOS. Da irrt deine Weisheit, Longinus. Wär's mein Beruf, wär' ich faul wie Nassum! Aber drei Dinge thu' ich gern und ohne Entgelt: trinken, aufgeblasene Hohlköpfe zusammendrücken und diesem Apelles eine Freude machen. – Geh nicht zu rasch, Nassum!

LONGINUS. Zumal seit voriger Woche –

TIMOLAOS. Warum seit voriger Woche?

LONGINUS. Heuchler! Seit Apelles aus Rom mit diesem Phönix da ist, mit de schönen Phöbe; – Septimius schwört, du seist in sie verliebt.

TIMOLAOS. Ich? Alle Welt – außer dir! Die Grauköpfe, die Strohköpfe und die Hohlköpfe – also ganz Palmyra. Man sagt, sie sei schön wie die Helena; ich find's nicht;[62] aber wenn sie einen so über die runde Schulter mit den Gazellenaugen von der Seite anblickt – – Diesem Apelles muß auch alles glücken! Trinkt aus einem Becher, der vor ihm auf der Tafel steht. Die Tugendhaften, also die große Mehrzahl, verdrehen die Augen, daß Apelles so ein gottverlaßner Sünder ist, diese Phöbe, als wär' sie seine Frau, in sein Haus zu nehmen; aber sie thäten es alle, wenn sie sie haben könnten! Tritt vor Longinus hin. Auch die Philosophen! Du auch!

LONGINUS ruhig. Ich wohl nicht. – Wo sind sie?

TIMOLAOS. Apelles und Phöbe? Mit Apulejus, dem Statthalter, ans Gebirg gefahren; zur Gräberstadt, glaub' ich. Phöbe lachte wie eine Taube, als sie in den Wagen stiegen; Meister Apelles war still und ernst, wie immer an diesem Tag –

LONGINUS. Was ist's für ein Tag?

TIMOLAOS. Er hat's nie vergessen: an dem sie vor so neunzehn, zwanzig Jahren hier vor seiner Thür der jungen Christin den Gefallen thaten, sie in den Himmel zu schicken. Trinkt wieder. Ja, wie das Rad der Zeit sich dreht! Damals wurde grade die Ausrottung der Christen ein sehr beliebtes Gespräch; dann kam die letzte gründliche und ausgiebige Verfolgung unter Diocletianus, die wie alle andern nichts[63] nützte; und jetzt regiert uns vielleicht bald ein getaufter Kaiser, und so ein kleiner Uebertritt zum Christentum wird dann das Allerfeinste. Voran unser staatskluger Kopf, der allerpfiffigste Julius Aurelius Wahballath!

LONGINUS lächelt. Bist du glücklich wieder bei ihm angelangt –

TIMOLAOS nach einem Blick auf die Sklaven, leiser. Ich haß ihn, Longinus! Diesen kriechenden, hochfahrenden, schmeichelnden, grobschnauzigen, unergründlichen Allerweltsmann! – Der ein Freund des Apelles! Geht doch! Er hat an unsern guten Apelles eine Leiter angelegt und ist ihm so nach und nach auf den Kopf gestiegen und von da dann weiter; und jetzt regiert er Palmyra. Pfui über diese Welt! Trinkt wieder. Und da die Leiter noch stand, so ist der schöne Septimius Malku, der Feine, mit seinem Katzentritt ihm nachgestiegen; der sitzt nun oben auf seinen Geldsäcken, der reichste Mann von Palmyra, und macht so Septimius' freundlich herablassenden Gruß nachahmend. wenn er mich sieht. Wer ist Timolaos? Was ist aus Timolaos geworden? Nichts. Ein Mittrinker. Dem haben sie die Leiter weggezogen, der ist unten geblieben. Der hat Geist, aber kein Glück. Die anständigen Leute nennen ihn einen geistreichen, boshaften Trunkenbold; Trinkt. und es ist wahr, er trinkt auch. Und er wird auch noch trinken, wenn sich ihm eine gewisse kalte Hand an die Gurgel legt; – na, und dann wird's aus sein! – Auf die Thür links deutend. Warst du bei Bolana?[64]

LONGINUS. Ja. Die Stimme dämpfend. Sprich leise. – Die ist nicht in eure Phöbe verliebt. Die alte Frau sitzt allein und seufzt: ihr Apelles, statt eine stille, ehrbare Frau zu nehmen, bringt aus dem großen Babylon Rom so einen Irrstern mit! Lächelnd. Ich hab' versucht, ihr Philosophie zu predigen – Bricht ab. Da kommen deine Freunde.

TIMOLAOS sieht Septimius und Aurelius eintreten; leise. Der Sonnengott und der Mondgott von Palmyra ... Pfui! Trinkt.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 61-65.
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