[89] Apelles, Phöbe schlafend; Bolana von links; sehr gealtert, ergraut; in sanfter Traurigkeit und fast schüchtern eintretend.
BOLANA da Apelles aufstehn will.
Bleib; wecke sie nicht auf.
Mit kaum bemerkbarer Bitterkeit.
Wozu sie stören um der Alten willen.
Ich rede leise. Doch mich drängt es, Kind,
Dir eins zu sagen, das mir gleich nicht einfiel,
Als deine böse Nachricht mich erschreckte –
APELLES die Stimme dämpfend, wie sie.
Was ist's?[89]
BOLANA.
Ich hab' ein Gütchen noch im Thal
Des Libanon, bei Heliopolis.
Gar guter Boden. Das vekaufen wir:
So zahlt es doch ein Teilchen deiner Schuld!
APELLES gerührt lächelnd.
Ich dich berauben? Lieber stürb' ich, Mutter.
Nein, davon sprich nicht mehr!
BOLANA.
O Kind! du nahmst
Schon manches von mir an – und nahmst es willig.
Mit einem unsichern Blick auf Phöbe.
Nahrung und Liebe, mein' ich – denn von meinen
Gedanken nahm dein eigenwilliger Geist
Schon lange nichts mehr an.
Ergeben.
Doch wie du willst.
Seufzend.
Dn weißt es besser!
APELLES freundlich lächelnd.
Laß; ich komm' zu dir.
Steht vorsichtig und leise auf, Phöbes Kopf von sich weg auf die Polster legend; geht dann zu Bolana.
Sie schläft in Frieden weiter. – Mütterlein!
Ich wollte gern von Herzen dir gefallen
In allem, was ich thu' und bin. Doch tief
Im Innern herrschen feurige Gewalten,
Und Schönheitshunger, und des Herzens Rätsel,
Die ziehn uns, wie des Wandrers Heimweh, wachsend
Allmächtig mit sich fort![90]
BOLANA eine Hand am Herzen doch sich bezwingend.
Du sagst es, Kind;
Drum wird es wohl so sein. – – So geh' ich wieder.
Für sich.
O Zeus!
APELLES.
Ein Wort noch. Mutter – du bist bleich.
BOLANA.
Kind, ich bin alt.
APELLES.
Und traurig.
BOLANA schüttelt den Kopf.
Nicht so sehr.
Und wollt' ich sagen, Kind, warum ich's bin,
So würd'st du schelten.
APELLES lächelnd.
Nicht so sehr. – Was drückt dich?
BOLANA sich ein Herz fassend.
Da liegt's und schläft. – – Der Chryse Tochter, dacht' ich,
Sollt' hier als Hausfrau schalten; Kind, die wär's
Das leuchtete mir so als Stern der Hoffnung
An meinem Abend. – Doch dich ziehn die starken
Gewalten mit sich fort. – Ich geh'!
Geht zu ihrer Thür.
[91]
APELLES erschreckt.
Du schwankst ja –
BOLANA.
Nicht daß ich wüßte. Nur – – O Zeus!
Sie sinkt wie ohnmächtig hin; Apelles fängt sie in seinen Armen auf.
APELLES.
Was ist dir?
O Mutter! Mutter!
Sie kommt ein wenig zu sich; deutet mit schwacher Gebärde nach ihrer Thür.
Komm, ich führe dich. –
Die Thür geht auf. Wer ist's?
Ausgewählte Ausgaben von
Der Meister von Palmyra
|
Buchempfehlung
Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro